Lichttechnik: Verkehrssicherheit verbessern

In vielen Kommunen stimmt das Verhältnis zwischen Höhe und Abstand der Masten nicht. Das führt zu schlechten Sichtverhältnissen. Foto: licht.de/Trilux

Um Unfälle zu vermeiden, müssen Straßen und Fahrbahnen ausreichend beleuchtet sein, ohne dass es Blendquellen gibt. Dabei können zeitlich und örtlich adaptive Systeme helfen.

Mehr als 395.000 Menschen werden jährlich im Straßenverkehr verletzt. Diese Zahl steigt seit 2010 kontinuierlich an und ist insbesondere auf innerstädtische Unfälle zurückzuführen. Auch die Zahl der getöteten Radfahrer nimmt zu und lag 2018 bei 445. Die Gründe dafür sind nicht immer eindeutig, da man den Unfallhergang nur rekonstruieren kann. In den Unfallprotokollen findet sich daher als Hauptursache in 25 Prozent der Fälle der Hinweis „Sonstige Ursachen“. Gleich danach folgen mit 16 Prozent „Fehler beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren“ und mit 13 Prozent eine „nicht angepasste Geschwindigkeit“.
Die Vermutung liegt nahe, dass mangelhafte Beleuchtung zu den hohen Unfallzahlen beiträgt. Um dem nachzugehen, führt das Fachgebiet Lichttechnik der TU Berlin seit einigen Jahren Unfallanalysen durch. Hierfür haben die Experten ein Messfahrrad konzipiert, mit dem sie die lichttechnischen Daten an häufigen Unfallorten aufnehmen können.

Mit diesem Messfahrrad konnten die lichttechnischen Daten an häufigen Unfallorten aufgenommen werden. Foto: TU Berlin, Fachgebiet Lichttechnik

Die erhobenen Werte zeigen deutlich, dass an Berliner Unfallorten oft sehr schlechte Sichtverhältnisse vorliegen. So lagen die Leuchtdichtewerte zum Teil weit unter den in der DIN EN 13201-2 geforderten Werten.

Geometrien berücksichtigen

Ungünstige Wahrnehmungsbedingungen leisten also einen erheblichen Beitrag zum Unfallgeschehen. Dabei kann es auf verschiedene Weise zu einer Beeinträchtigung kommen: Gefahrensituationen oder Objekte werden zu spät oder gar nicht erkannt, Blendquellen und Reflexionen auf feuchter Fahrbahn erschweren die Wahrnehmung oder wechselnde Beleuchtungssituationen verzögern die Adaptation und führen zu einer vorübergehenden Erblindung. Für mehr Verkehrssicherheit muss es ausreichende Wahrnehmungsbedingungen geben. Es bringt jedoch nichts, Straßen nur heller zu beleuchten. Es muss zusätzlich auf eine geringe Blendung und eine möglichst hohe Gleichmäßigkeit geachtet werden.
Neben der Lichtstärkeverteilung einer Leuchte, welche die räumliche Verteilung des Lichts beschreibt und bestimmt, wo auf der Verkehrsfläche wie viel Licht ankommt, spielt auch die Geometrie der jeweiligen Beleuchtungsanlage eine Rolle. Je nachdem, wie sich Höhe und Abstände der Masten zueinander verhalten, ergeben sich unterschiedliche Gleichmäßigkeiten und Blendwerte mit einem entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung: Befindet sich ein dunkel gekleideter Fußgänger in der sogenannten Tarnzone zwischen zwei weit auseinander stehenden Masten, wird dieser vermutlich vom Fahrzeugfahrer nicht rechtzeitig wahrgenommen.

Adaptiv beleuchten

Um bei großen Mastabständen und niedrigen Masthöhen eine möglichst hohe Gleichmäßigkeit zu erzielen, sind extrem flache Abstrahlwinkel nötig, was wiederum zu einer hohen Blendung führt. Um gleichmäßig und nicht blendend zu beleuchten, sollte das Verhältnis zwischen Mastabstand und -höhe nicht mehr als 1:4 betragen. So ein Verhältnis findet man allerdings selten. In vielen Kommunen werden aufgrund mangelnder lichttechnischer Planung die Abstände seit mehr als 30 Jahren immer größer. Wenn künftig bei der Planung einer Straßenbeleuchtung auf entsprechende Geometrien geachtet sowie optimierte Lichtstärkeverteilungen verwendet werden, ist schon viel für die Verkehrssicherheit getan.
Eine adaptive Beleuchtung kann zusätzlich die Sichtbarkeitsbedingungen erheblich verbessern, so kann adäquat auf veränderte Einflussfaktoren reagiert werden. Hier ist zu unterscheiden zwischen einer zeitlichen und einer örtlichen Anpassung. Auch Kombinationen sind denkbar, wenn bestimmte Zonen gleichzeitig zeitlich variabel beleuchtet werden.

Bei einer örtlich angepassten Beleuchtung werden die verschiedenen Nutzflächen im Verkehrsraum ihren Anforderungen entsprechend unterschiedlich beleuchtet. Foto: TU Berlin, Fachgebiet Lichttechnik

 

Eine zeitlich angepasste Beleuchtung reagiert zum Beispiel auf unterschiedliche Witterungsverhältnisse oder auf ein schwankendes Verkehrsaufkommen. Foto: TU Berlin, Fachgebiet Lichttechnik

Hierunter fällt auch das am Fachgebiet Lichttechnik entwickelte Beleuchtungskonzept des Markierungslichtes, bei dem gefährdete Verkehrsteilnehmer in Konfliktzonen eine gesonderte Beleuchtung erhalten. Voraussetzung für die Realisierung adaptiver Beleuchtungskonzepte ist eine Ansteuer- und Dimmbarkeit der Leuchten. Diese ist bei LED-Leuchten relativ einfach umsetzbar: Diese Technologie bietet viele Möglichkeiten, Licht gezielt in der gewünschten Höhe dorthin zu bringen, wo und wann es benötigt wird. Je nach Konzept sind auch eine entsprechende Sensorik sowie Datenübertragung erforderlich. Schließlich sind für den Einsatz adaptiver Systeme auch einheitliche Standards sowie neue Maßzahlen zur Beurteilung der Verkehrssicherheit zu entwickeln und in die Normung einzubringen.

Beim Beleuchtungskonzept des Markierungslichtes erhalten gefährdete Verkehrsteilnehmer in Konfliktzonen eine gesonderte Beleuchtung. Foto: TU Berlin, Fachgebiet Lichttechnik

Geschwindigkeit an die Sichtbarkeit anpassen

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass optimierte Lichtverteilungen, adaptive Systeme sowie eine Beleuchtung mit Markierungslicht die Verkehrssicherheit erhöhen kann. Dabei können insbesondere Systeme, die eine örtlich angepasste Beleuchtung realisieren, zusätzlich zur Reduktion des Energieverbrauchs beitragen. Sie vermindern die Lichtverschmutzung, indem nur dort Licht eingesetzt wird, wo es benötigt wird. Jedoch bedarf es in jedem Falle einer sorgfältigen Lichtplanung – egal, ob nur eine einfache Beleuchtung, eine dimmbare oder eine vollkommen flexible Beleuchtung eingesetzt werden soll.
Zusätzlich muss man durch eine Nachmessung sicherstellen, dass die geplanten Werte auch eingehalten werden. Solange die Beleuchtung vielerorts jedoch noch nicht optimal ist, muss man die Höchstgeschwindigkeit an die Sichtbarkeit anpassen. Eine konsequente Begrenzung der maximal gefahrenen Geschwindigkeit auf Tempo 30 innerorts für alle nicht lichttechnisch überprüften Straßen könnte jedes Jahr in Deutschland hunderte Menschenleben retten.

Die Autoren: Prof. Dr. Stephan Völker und Heike Schumacher arbeiten im Fachgebiet Lichttechnik der TU Berlin.