Ladeinfrastruktur: Clevere Kombination

Die Kommunen haben gute Chancen, beim Aufbau der Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität eine tragende Rolle zu übernehmen. Fotovoltaik, Mieterstrom und Ladestationen für E-Fahrzeuge lassen sich im kommunalen Mehrfamilienhaus miteinander kombinieren. Der Mehrwert liegt auf der Hand.

Klimawandel und Nachhaltigkeit sind längst in der Realität und in den Köpfen der Bürger und Unternehmen angekommen. Die Volksparteien haben diese Themen auch als Schwerpunkte in ihrem Parteiprogramm aufgenommen. Die Ziele für den Ausbau von Ladeinfrastruktur sind deutlich angehoben worden. Die Automobilwirtschaft als Branche mit den meisten Arbeitsplätzen stellt derzeit massiv das Fahrzeugangebot und die Werke um. Bürger erwarten Antworten und Angebote. Kinder fordern mit „Fridays for Future“ ein nachhaltiges Erbe von den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft.

Elektromobilität erfordert Umdenken bei Nutzern bezüglich der Reichweite und beim „elektrischem Tanken“. Die Batterie an möglichst vielen Stellen nachladen zu können, ist ein starkes Bedürfnis. Stromversorgung wird plötzlich sympathisch und emotional, wenn Ladepunkte in unmittelbarer Nähe des Zieles mit ausreichender Leistung verfügbar sind. Wer elektrisch tankt, weiß, dass für eine Reichweite von 100 Kilometer für die gleiche Leistung ein Haarfön oder ein Wasserkocher etwa zehn Stunden lang betrieben werden  könnte. Wenn mehrere Fahrzeuge parallel oder in kürzerer Zeit aufgeladen werden sollen, dann lassen sich notwendige Baumaßnahmen zur Netzverstärkung und der durch die Baumaßnahmen gegeben falls verbundenen temporären Einschränkungen leichter vermitteln.

Die Kommunen stehen vor der Herausforderung, die Ladeinfrastruktur in die Verkehrs- und Mobilitätsplanung zu implementieren. Bei der Suche nach Stellflächen für Ladeinfrastruktur stellt sich die Frage, wie die kommunalen Liegenschaften für die Ladeinfrastruktur geschickt genutzt werden können. Die Errichtung von Ladesäulen auf prominenten Plätzen und in Marktplatznähe ist eigentlich immer die erste Wahl. Auch die Nutzung der klassischen Parkplätze im öffentlichen Raum ist eine Option parallel und ergänzend zu den privatwirtschaftlichen Ausbaumaßnahmen.

Eine andere, vielversprechende kommunale Infrastruktur ist der Wohnungsbau. Die kommunale Wohnungswirtschaft lässt sich im Vergleich zur privatwirtschaftlichen Wohnungswirtschaft wie folgt darstellen:

  • die Kommune ist alleiniger Eigentümer der Wohnimmobilie
  • die Kommune verfolgt langfristige Interessen in der Daseinsvorsorge
  • die Wohnimmobile hat Park- und Dachflächen

Diese Eigenschaften sind eine gute Ausgangsposition für die Integration der Ladeinfrastruktur im kommunalen Wohnungsbau.

Chance Ladeinfrastruktur: kommunale Wohnimmobilien

Immobilieneigentümer der Privatwirtschaft haben demgegenüber oft höhere Eintrittshürden. Insbesondere stellen zustimmungspflichtige Sanierungs- oder Erweiterungsmaßnahmen im Gemeinschaftseigentum wie zum Beispiel Tiefgaragen in Immobilien mit Wohnungseigentumsgesellschaften (WEG) große Herausforderungen dar.

Eine bauliche Veränderung innerhalb eines Objekts kann bereits eine Stromtrasse zur Versorgung eines privaten Stellplatzes mit einem Ladepunkt sein, wenn sie auf der Strecke Gemeinschaftseigentum oder anderes privates Eigentum berührt. Das ist zunächst unabhängig davon, wer die Finanzierung der Maßnahme trägt.

Einstimmige Beschlussfassungen sind selten. Divergierende Einzelinteressen der Eigentümerstruktur sind oft vielfältig (z. B. Wohnen im Eigentum, Vermietung, finanzieller Spielraum, persönliche Differenzen mit dem „lieben“ Nachbarn).

Tendenziell werden Parkplätze vor der eigenen Haustüre oder in der Tiefgarage ein immer knapperes Gut, und die Preise steigen dafür stetig. Auch die Kosten für die Ladeinfrastruktur, also für Kupfer im Kabel sowie die Planungs- und Bauleistung, entwickeln sich langfristig nach oben.

Konsequenz: Neben bisherigen Investitionen in Silizium (Fotovoltaikanlage) ergibt sich zusätzlich ein Investitionspotenzial in die Verbindungen aus Kupfer und Beton. Am besten dort, wo das Auto die meiste Zeit steht.

Wer früh investiert, hat auch die Chance, dass die bestehende vorgelagerte Strominfrastruktur des öffentlichen Netzes in der Straße den Leistungsbedarf deckt, ohne dass der Stromnetzbetreiber für den konkreten Anwendungsfall eine neue Versorgungstrasse legen muss.

Grünen Strom vom Dach tanken

Die Nutzer der Elektromobilität erwarten eine grüne Stromversorgung. Sie wollen regenerativ und idealerweise autarken und lokalen Strom tanken. Der Gedanke, den Strom einer Photovoltaikanlage vom Dach zu nutzen, liegt nah.

Bisher war die Nutzung von Fotovoltaikstrom nur für die Versorgung von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern über sogenannte Mieterstrommodelle möglich. Das ist eine eine spezielle Dienstleistung von Inhouse-Mess- und Verrechnungsmöglichkeiten von lokal erzeugtem Strom zwischen der Solaranlage und den jeweiligen Bewohnern. Inzwischen gibt es interessante Angebote. So können mithilfe von Mieterstrommodellen auch die Ladesäulen in der Tiefgarage den Strom vom Dach nutzen, ohne Gefahr zu laufen, zum Beispiel gegen das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zu verstoßen.  Das Gute daran: je mehr Strom aus der Fotovoltaikanlage lokal auf dem Grundstück genutzt wird, desto wirtschaftlicher ist die Investition in diese Anlage oder entsprechend kleiner ist die Rechnung für die Stromkunden in der Immobilie.

Mit der Kombination aus Fotovoltaik, Mieterstrommodell und Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge entsteht eine „Trilogie mit Zukunft“ im kommunalen Mehrfamilienhaus. Die Kommune kann entscheiden, in welcher Rolle sie dabei auftreten möchte. Diese sind vielfältig:

  • Investor für gesamte elektrische Anlage
  • Initiator, um es Dritten zu ermöglichen, in die Anlage zu investieren
  • Betreiber der elektrischen Anlage
  • Anbieter von Zusatzservices wie Carsharing

Als wirtschaftlich interessante Zielgruppe für diese „Trilogie“ sind derzeit Wohnimmobilien mit einer Mindestanzahl ab 15 zu elektrifizierenden Parkplätzen und entsprechend ausgerichteter Dachfläche. Neubauten haben einen Kostenvorteil, wenn in der Planungsphase der Gebäudeinfrastruktur die Umsetzung dieser Maßnahmen bereits vorgesehen ist.

Axel Hausen

Der Autor
Axel Hausen ist Leiter Geschäftsfeldentwicklung und Produktmanagement bei Netze BW (Sparte Dienstleistungen) in Stuttgart