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Kommunen und Behörden werden ihre Prozesse schrittweise vernetzen müssen, um mit gleichbleibender oder verringerter Personalstärke zunehmend vielschichtige Aufgaben übernehmen zu können. Rechtliche Vorgaben und das Streben nach Transparenz machen die Digitalisierung komplex.

Die meisten Siedlungen in Deutschland sind seit mehr als 100 Jahren vernetzt. Versorgungsnetze für Energie und Trinkwasser, die Kanalisation und die klassischen Netze für Telefon und Satelliten-TV werden seit etwa zwei Jahrzehnten ergänzt durch zunehmend schnelle Daten- und Mobilfunknetze. Die Rede ist meist vom Breitbandausbau. Daneben gibt es unter dem Stichwort Internet der Dinge auch immer mehr Anwendungen, für die langsame Datenverbindungen ausreichen.

Als Beispiele genannt seien der bevorstehende Rollout intelligenter Energiezähler (Smart Meter) und die im Zuge der diversen Abgasaffären immer wichtiger werdende Erfassung von Luftschadstoffen. Dabei geht es fast immer um die Abdeckung großer Flächen (mehrere Quadratkilometer), wo häufig mit mobilen und dabei oft batteriegestützten Datenlieferanten (Sensoren) Daten an einen zentralen Sammler gelenkt werden. Der umgekehrte Weg wird in Zukunft ebenfalls wichtig, wenn zur Stabilisierung des Stromnetzes elektrische Verbraucher (wie Wärmepumpen oder Elektroladesäulen) oder elektrische Erzeuger (z. B. Fotovoltaikanlagen) durch den Stromnetzbetreiber ferngeschaltet werden sollen. Die gegenseitige Authentifizierung der Kommunikationspartner und die Verschlüsselung der übertragenen Daten gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung, um solche Systeme der kritischen Infrastruktur nicht angreifbar zu machen.

Ergänzung der öffentlichen Daseinsvorsorge

Aufgaben der Vernetzung in ihren verschiedenen Ausprägungen werden künftig Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge sein. Die Aufgaben im Gemeinwesen einer vollvernetzten Stadt und Gemeinde (Smart City) orientieren sich auf verschiedenen funktionalen Ebenen am Ziel einer lebenswerten Umgebung. Unter Einsatz möglichst effizienter und digital gestützter Prozesse macht die Kommune entsprechende Angebote, hält Regelwerke vor und gewährleistet die öffentliche Sicherheit.

Als Akteure in der vernetzten Siedlung treten nicht nur Kommunalverwaltungen und die Versorger auf, sondern grundsätzlich alle gewerblichen Dienstleister und sogar einzelne Bürger, die funktionale Leistungen anbieten. Die entstehenden Daten werden über standardisierte und gesicherte Protokolle und über eine Schnittstelle in eine Cloud übertragen, deren innere Funktionalität typische administrative oder kommerzielle Prozesse nachbildet.

Die Daten werden in einem Rechenzentrum abgelegt und können unter Beachtung rechtlicher Rahmenbedingungen und sachlicher Zuordnung weiter verknüpft werden. Die Zugänglichkeit der Daten kann auf einen kleinen Nutzerkreis beschränkt sein (vertrauliche Daten) oder als sogenannte Open Data allen Akteuren frei zur Verfügung stehen. Beispiele hierfür sind Geo-, Verkehrs- und Wetterdaten oder Informationen der statistischen Ämter.

Die Einführung digitaler Prozesse ist Chefsache und sollte durch den Bürgermeister oder einen hauptamtlichen Beauftragten (Chief Digital Officer, CDO) vorangetrieben und begleitet werden. Hierzu ist zunächst die Digitalisierungsstrategie, basierend auf den individuell dringlichsten Problemen einer Kommune, mit allen betroffenen Akteuren zu formulieren. Deren Umsetzung wird dann durch bereichsübergreifende Projekte vom CDO koordiniert und verantwortet.

Rankings vergleichen den Fortschritt

Übliche Städterankings bewerten den erreichten Reifegrad vernetzter Siedlungen anhand vieler Kriterien. Beispielhaft genannt seien strategische Indikatoren (Strategie vorhanden, CDO benannt, Umgang mit digitaler Spaltung), Transparenz (Bürgerpartizipation, Ratsinfosystem, Bürgerhaushalt), Online-Marktplatz mit aktuellen Informationen (Open-Data, Stadt-App), Online-Kontaktangebote (Behördenrufnummer 115, virtuelle Poststelle, Beschwerdestelle) und Online-Services (Terminvereinbarung, Gewerbeanmeldung, Urkundenbestellung) sowie die Präsenz in sozialen Netzwerken (z. B. Twitter- und Youtube-Accounts vom Bürgermeister).

Der Übergang zu solch einem vernetzten Gemeinwesen ist ein längerfristiger Prozess. Beschränkungen bestehen durch begrenzte verfügbare Finanzmittel oder durch fehlende technische und rechtliche Expertise. Aber auch kompliziert gestaltete Webseiten demotivieren beispielsweise Bürger bei der papierlosen Kommunikation mit der Verwaltung. Hinzu kommt die Angst vieler Menschen vor übermäßiger Kontrolle, Verlust oder möglichem Missbrauch ihrer Daten. Dennoch ist die Entwicklung nicht aufzuhalten. Die nachwachsende Generation der Digital Natives (geboren nach 1995) ist bereits als Kind mit digitalen Geräten aufgewachsen. Diese jungen Menschen werden verstärkt digitale Angebote einfordern.

Die Kommune startet die Digitalisierung am besten mit einem Leuchtturmprojekt. Dieses sollte mit den Betroffenen abgestimmt sein, einen klaren Fokus haben und von unmittelbarem Nutzen für das Gemeinwesen sein. Die gewonnenen Daten und Erkenntnisse sollten transparent kommuniziert werden. Die eingesetzte Technologie sollte maximal wiederverwendbar sein. Im Erfolgsfall lassen sich die Ergebnisse werbemäßig in Szene setzen, wobei auch andere Städte ohne eigene Vernetzungsanstrengungen von den gesammelten Erfahrungen profitieren können.

Markus Lauzi

Der Autor
Dr. Markus Lauzi ist Unternehmensberater, Professor an der Technischen Hochschule (TH) Bingen, wissenschaftlicher Projektleiter der Transferstelle Bingen (TSB) und Mitglied des erweiterten Vorstands im Bundesverband Smart City in Mainz