Eigenwirtschaftlicher Breitbandausbau im Landkreis Tuttlingen

Gut gelaunter Start der Breitband- initiative Landkreis Tuttlingen: Die Kommunalanstalt sorgt für den Bau des Kreis-Backbone, während die Kommunen den Ausbau der Ortsnetze vornehmen. Foto: Breitbandinitiative Landkreis Tuttlingen

Die 35 Städte und Gemeinden im Landkreis Tuttlingen werden an ein kreisweites Backbonenetz angeschlossen. Für den eigenwirtschaftlichen Ausbau verantwortlich ist die Breitbandinitiative Landkreis Tuttlingen (BIT).

Aktuell weist der Breitbandatlas des Landkreises Tuttlingen eine Versorgung von 70 Prozent der Haushalte mit 1 GB/s aus. Trotz der vergleichsweise guten Versorgungslage kam man in enger Abstimmung mit der Hochschule Furtwangen und anderen Landkreisen zu dem Ergebnis, dass mittel- und langfristig eine Infrastruktur aus Glasfaser benötigt wird: Nur sie kann die Zukunftsfähigkeit, die Attraktivität für die Bürger und die Sicherung der Arbeitsplätze in den sehr leistungsfähigen Unternehmen und Gewerbebetrieben im Landkreis sicherstellen.

Denn einzelne Kommunen, die über kein Koaxialkabelnetz verfügten, und viele landwirtschaftliche Betriebe in Außenlage waren schlecht versorgt. Auch viele Unternehmen zeigten großes Interesse an Glasfaseranschlüssen zu vernünftigen Konditionen. Daher nutzte der Landkreis 2015 das Instrument der Markterkundung, um die Ausbauabsichten der privaten Telekommunikationsbetreiber für die nächsten drei Jahre abzufragen.

Das Ergebnis war ernüchternd: Bis auf einige Investitionen in das bis zu 60 Jahre alte Kupfernetz waren keine Aktivitäten vorgesehen. Parallel gab es das Angebot eines Betreibers, für eine Investition von 11 Millionen Euro eine Ertüchtigung von 95 Prozent der Haushalte auf eine Mindestgeschwindigkeit von 50 MBit/s herzustellen.

22 PoP-Standorte

Dieses Angebot war der Anlass dafür, zu prüfen, was eine flächendeckende Glasfaserversorgung im Landkreis kostet. Hierbei kam man zusammen mit einem Ingenieurbüro und der Hochschule Furtwangen zu der Erkenntnis, dass ein kreisweites Backbonenetz insgesamt rund 25 Millionen Euro kosten und einen Eigenanteil von 9,2 Million Euro an Kosten verursachen würde. Dieses Backbonenetz ist die Voraussetzung für den Ausbau und Betrieb von Ortsnetzen sowie einer flächendeckenden Versorgung im Landkreis.

Aufgrund dieser Kostenrelation entschied sich die Kreisverwaltung für den Aufbau eines Glasfasernetzes und gründete die Breitbandinitiative Landkreis Tuttlingen (BIT) in der Organisationsform einer interkommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts. Diese Rechtsform war 2016 neu und sollte im Vergleich zu den bisher üblichen Zweckverbänden unter anderem mehr Flexibilität und Geschwindigkeit in den Prozessen bieten. Alle 35 Kommunen des Landkreises Tuttlingen entschieden sich in der Folge für einen Beitritt in die BIT.

Die Strategie der Kommunalanstalt besteht darin, dass sie den Bau des Kreis-Backbone verantwortet und die Kommunen jeweils in eigener Zuständigkeit den Ausbau der Ortsnetze vornehmen können. Bisher sind 22 Technikgebäude, so genannte PoP-Standorte, errichtet worden. Weitere 14 sind im Bau oder in Planung. Der zugrundeliegende Kreis-Backbone ist zu 85 Prozent fertig gestellt oder aktuell im Bau. 185 km von 216 km wurden bereits umgesetzt.

250 Millionen Euro für kreisweiten Glasfaserausbau

Im Jahr 2017 wurde der Netzbetreiber in einer europaweiten Ausschreibung gesucht und mit der Netcom BW, einer Tochter des Energieversorgers EnBW, auch gefunden. Seither wurden fertiggestellte Bauabschnitte sowie Technikstandorte regelmäßig in Betrieb genommen und die angeschlossenen Kunden versorgt.

Die BIT nutzt wie viele andere Landkreise in Baden-Württemberg das so genannte Betreibermodell: Das Netz befindet sich in kommunaler Hand – und auf dieser passiven Infrastruktur, die an einen Betreiber verpachtet wird, kann im Open Access ein Wettbewerb der Diensteanbieter (Internet, Telefonie, Fernsehdienste) stattfinden. Die Kommunen bestimmen die Spielregeln mit. Langfristig sind Rückschlüsse für die getätigten Investitionen durch den Netzbetrieb und die dafür fällige Pacht zu erwarten.

Insgesamt rechnen wir mit Kosten von mindestens 250 Millionen Euro für einen flächendeckenden Ausbau der Glasfasernetze im Landkreis Tuttlingen. Die beteiligten Kommunen können beim Ausbau des Kreis-Backbone zu reinen Materialkosten ihre Leerrohre in den Graben des Backbones mit verlegen. Beim Backbone-Ausbau seinerseits wurde häufig die Möglichkeit genutzt, sich bei anderen Ausbaumaßnahmen (Stromleitungen, Wasserleitungen und Radwegebau) einzuklinken. Diese Mitverlegung spart in der Regel erheblich Kosten.

Gefördert vom Land

Der Backboneausbau wird vom Land Baden-Württemberg gefördert. Die Förderquote liegt bei rund 60 Prozent. Seit 2019 obliegt die Förderung des innerörtlichen Ausbaus dem Bund. Er fördert 50 Prozent der Kosten, und das Land Baden-Württemberg kofinanziert 40 Prozent über das inzwischen zuständige Innenministerium. So erreichen die Kommunen eine attraktive Förderquote von bis zu 90 Prozent.

Dabei stellen sie Anträge beim jeweiligen Projektträger, bislang AteneKOM und künftig PricewaterhouseCoopers. Beim Ausbau sind die Rahmenregelungen der europäischen Kommission, die Vorgaben der Fördergeber von Bund und Land inklusive diverser Nebenbestimmungen zu beachten.

Besondere Bedingungen gelten beim Wettbewerbsrecht. Dem wird durch entsprechende Markterkundungsverfahren und Abstimmungsprozesse Rechnung getragen. Frank Baur

Der Autor: Frank Baur ist Mitarbeiter der Kommunalanstalt Breitbandinitiative Landkreis Tuttlingen (BIT).