„Digitale Kompetenzen sind für die Zukunft unserer Schüler entscheidend“

Markus Bölling ist Schulleiter der Realschule am Europakanal in Erlangen, Bayern. Seine Schule macht beim Modellprojekt „Digitale Schule 2020“ der Stiftung Bildungspakt Bayern mit. Er spricht über den Einsatz neuer Medien, digitales Klassenzimmer und die Reaktionen seiner Schüler.

 

Herr Bölling, warum beteiligt sich Ihre Schule am Modellprojekt „Digitale Schule 2020“?

Bölling: Die Realschule am Europakanal beschäftigt sich schon sehr lange mit dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Bereits seit 2006 haben wir flächendeckendes WLAN an der Schule. Seit 2010 nutzen wir Ipads im Unterricht. Momentan sind täglich mehr als 400 mobile Endgeräte wie Tablets, Smartphones oder Notebooks in unser WLAN-Netz integriert.

Wie sieht der Einsatz dieser Geräte konkret aus?

Bölling: Wir probieren viele neue Wege aus, um mit digitalen Medien den Unterricht zu verbessern. Auch die Verbesserung von Verwaltungsaufgaben und Kommunikation durch Elternkommunikationssysteme, digitale Cloud-Lösungen und internen Systeme des Wissensmanagements wie zum Beispiel Wiki liegt uns am Herzen. Da war es nur natürlich, dass wir uns an dem Projekt beteiligen. Digitale Kompetenzen sind für die Zukunft unserer Schüler entscheidend. Das Projekt ermöglicht es der Schule, Neues auszuprobieren und in Zusammenarbeit mit dem Bildungspakt Bayern modellhaft Steuerungswissen zur Digitalisierung von Schule zu entwickeln.

Gibt es eine bestimmte Vorgehensweise für die Ausstattung?

Bölling: Wir haben durch unseren Medienentwicklungsplan eine feste Vorstellung davon, wie sinnvolle Ausstattung aussehen soll. In enger Zusammenarbeit mit unserem Sachaufwandsträger, der Stadt Erlangen, dem Schulverwaltungsamt, und dem kommunalen IT-Dienstleister Kommunalbit wurde die Ausstattung schrittweise an unsere Bedürfnisse angepasst. So kommt sie auch pädagogisch sinnvoll zum Einsatz. Konkret wurde in Erlangen in eine Infrastruktur investiert, die auch in dem Konzept „SmartERSchool“ der Stadt Erlangen festgeschrieben ist.

Welche technischen Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Bölling: Wichtig ist eine schnelle Anbindung ans Internet von mindestens 50 Mbit, besser sind 200 Mbit, eine strukturierte Grundverkabelung, professionelles skalierbares WLAN im gesamten Schulhaus und die Ausstattung der Räume als digitales Klassenzimmer.

Wie sieht dieses Klassenzimmer aus?

Bölling: Das digitale Klassenzimmer beinhaltet neben der Dokumentenkamera auch ein interaktives Whiteboard mit der zusätzlichen Funktion der drahtlosen Übertragung von Bildschirminhalten mobiler Endgeräte. Diese Funktion emöglicht beispielsweise Apple-TV.

Wer finanziert die Geräte?

Bölling: Hier arbeiten wir mit verschiedenen Modellen. Es gibt beispielsweise Ipad-Klassen. In diesen Klassen kaufen beziehungsweise leasen die Eltern die mobilen Endgeräte ihrer Kinder. Für finanziell schwächer gestellte Eltern gibt es Förderkonzepte, die individuelle zugeschnitten werden. Denn wir sind der Überzeugung, dass digitale Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf. Zusätzliche gibt es für beschränkte Bereiche auch die Möglichkeit der Einbindung von Smartphones der Schüler. 40 Leih-Ipads, hat die Stadt Erlangen angeschafft. Die Lehrer können diese Tablets für einzelne Stunden unkompliziert buchen.

Das Projekt läuft seit dem Schuljahr 2017/2018. Wie sind die Reaktionen von Eltern, Schülern, Lehrern und Schulträger?

Bölling: Die Reaktionen sind fast ausschließlich positiv. Die Schüler wünschen sich einen modernen durch Medien angereicherten und individualisierten Unterricht. Sehr viele Eltern sehen die Notwendigkeit, dass ihre Kinder fit im Umgang mit digitalen Medien werden. Ein Schüler sagte: „Genau so soll Unterricht aussehen. Mit Videotutorials kann man einfach besser lernen.“ Und eine Schülerin erklärte: „Ich kann besser mit meinem Ipad lernen, als wenn ich ein Heft in der Hand habe.“

Wie schätzen Sie die Digitalisierung ein?

Bölling: Die digitale Revolution ist wie eine riesige Welle, die auf uns zurollt. Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Wahl zwischen einem Surfbrett und einer Schutzmauer. Was wählen Sie? Dieses Bild trifft es ziemlich genau. Wir müssen eine Entscheidung treffen, ob wir wollen oder nicht. Sollen wir Mauern bauen oder sollen wir wie auch immer auf der Welle mitsurfen und damit die Kompetenz für das Surfen entwickeln. Ich habe mich entschieden! Ich nehme das Surfbrett. Es geht hier aber nicht um die Entscheidung des Schulleiters. Es geht hier um eine grundlegende Haltung zu diesem Thema. Als Schule treffen wir diese Entscheidung nicht nur für uns selber, sondern für das Wohl und die Zukunft unserer Schüler.

Gibt es schon Vorstellungen, wie es nach Auslaufen des Projektes weitergeht?

Bölling: Digitalisierung ist ein Prozess der Schulentwicklung, der auch nach dem Auslaufen des Projektes nicht einfach enden wird. Wir werden in regelmäßigen Abständen immer wieder die Strukturen an die neuen Technologien anpassen. Unser definiertes Ziel ist es, die Schüler fit für das 21. Jahrhundert zu machen Die nötigen Kompetenzen der vier „K“ – kritisches Denken, Kollaboration, Kommunikation und Kreativität – bilden dabei weiterhin die Grundlage.

Interview: Annika Wieland

Markus Bölling ist Schulleiter der Realschule am Europakanal in Erlangen, Bayern.

Info: Realschule am Europakanal: Etwa 80 Lehrkräfte und Mitarbeiter unterrichten rund 890 Schüler. Die Erlanger Realschule hat sich das Motto „sozial – bewegt – innovativ“ gegeben.

Stiftung Bildungspakt Bayern: In der Stiftung Bildungspakt Bayern engagieren sich das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Unternehmen sowie Verbände, Lehrkräfte, Eltern und Schüler gemeinsam für eine zukunftsorientierte Bildung. Im Modellprojekt „Digitale Schule 2020“ werden Konzepte und konkrete Umsetzungsstrategien entwickelt und erprobt, um digitale Medien beim Lernen und Arbeiten in der Schule gewinnbringend zu nutzen.

Digitale Schule 2020: Das Projekt startete 2016/2017 mit einem Vorbereitungsjahr. Durchgeführt wird es drei Jahre lang seit 2017/2018. Es beteiligen sich Grund-, Mittel- und Realschule sowie das Gymnasium. Je beteiligter Schulart gibt es zwei Modellschulen. Ein Schulfilm zeigt weitere Statements zum Projekt.