Die Schule von morgen bauen

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Homeschooling möglich ist. Daran sollten Schulen auch in Zukunft festhalten. Fotos: Adobe Stock/Aleksandra Suzi, Patrycia Lukas

Um die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland nicht weiter zu verschärfen, muss digitale Bildung in der Schule stattfinden. Dafür sind jedoch eine bessere Infrastruktur, ein Update für die Lehrerfortbildung und mehr Freiräume für den Unterricht nötig, sagt Digitalexpertin Verena Pausder.

Fünfundsechzig Prozent der heutigen Grundschulkinder werden später in Jobs arbeiten, die wir jetzt noch nicht kennen. Wenn wir wollen, dass unsere Kinder fit für den Arbeitsmarkt der Zukunft sind, dann muss digitale Bildung ganz oben auf unsere Schulagenda. Unsere Kinder sind keine „Digital Natives“.

Denn es geht nicht darum, dass die Kids problemlos jedes Smartphone bedienen, Videos auf Youtube gucken und Minecraft spielen können. Es geht darum, dass sie die Grundlagen lernen, um für die Smartphones Apps zu bauen, für Youtube Videos zu produzieren oder Online-Spiele designen zu können. Kurz: Wir müssen Kinder darin unterstützen, nicht nur digitale Konsumenten zu sein, sondern digitale Gestalter zu werden.

Dabei ist es wichtig, dass digitale Bildung in der Schule stattfindet, um die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland nicht weiter zu verschärfen. Damit Schulen das leisten können, braucht es eine bessere Infrastruktur, ein Update für die Lehrerfortbildung und mehr Freiräume für den Unterricht. Die Corona-Pandemie ist ein großes Bildungsexperiment. Mit wenig Ressourcen musste digitaler Unterricht möglich gemacht werden, gleichzeitig haben wir wie unter dem Brennglas gesehen, wo es noch hakt. Nutzen wir das Momentum der letzten Monate, um gemeinsam die Schule von morgen zu bauen.

Diese sieben konkreten Vorschläge können dabei helfen.

Digitale Taskforce

Die Digitalpaktmittel kommen zu langsam in den Schulen an. Das hat auch etwas mit der damit verbundenen Bürokratie zu tun. Eine Digitale Taskforce auf kommunaler Ebene könnte unterstützen: zum Beispiel beim Schreiben der Medienentwicklungspläne oder bei der Auswahl der IT-Dienstleister.

Positivlisten

Hören wir auf, immer nur zu sagen, was nicht geht, sondern geben den Schulen klare Empfehlungen, was geht. Eine Positivliste, auf der alle Programme und Tools aufgelistet sind, die DSGVO-konform sind und Sicherheitsstandards entsprechen, würde Lehrern einen Überblick verschaffen, damit sie sich auf die Inhalte – und nicht die technische Umsetzung – des Unterrichts konzentrieren können.

Systemadministrator-Allianz

Geräte und WLAN an die Schulen zu bringen, ist ein wichtiger Schritt – noch wichtiger ist, dass auch die Wartung geklärt ist. Überbrücken wir die Zeit, bis jede Schule einen eigenen Systemadministrator hat, mit regionaler Unterstützung: Verknüpfen wir jede Schule mit einem lokalen Unternehmen in einer Systemadministator-Allianz: Das Unternehmen stellt einen IT-Mitarbeiter für einen Tag in der Woche oder im Monat frei, um als Systemadministrator an Schulen auszuhelfen, Geräte zu warten und sich den Fragen der Lehrer zu stellen.

Update für Lehrerfortbildung

Wenn wir darauf warten, dass die Lehramtsstudiengänge umgebaut sind und neue digital geschulte Pädagogen hervorbringen, verlieren wir wichtige Zeit. Deshalb braucht es unkomplizierte Online-Fortbildungen und Webinare. Nutzen wir Plattformen, die es schon gibt (beispielsweise Fibs und Fobizz), um Lehrern genau die Module anzubieten, die sie jetzt brauchen. So teilen auf Fobizz Lehrkräfte, Trainer und Medienpädagogen ihr Wissen zum Einsatz digitaler Medien. In Online-Fortbildungen geben sie ihre Erfahrungen an Kollegen weiter und vermitteln einschlägige Kompetenzen sowie didaktische Fähigkeiten, um digitale Technologien sinnvoll im Unterricht einzusetzen und zu thematisieren.

Mehr Gestaltungsspielraum

Schulleitungen kennen ihr Kollegium, ihre Schülerschaft und die Gegebenheiten vor Ort am besten. Geben wir ihnen ihr eigenes Budget, um das Geld genau dort einzusetzen, wo sie es am meisten brauchen. Geben wir ihnen Freiräume, Entscheidungen zu treffen, wie bestimmte Vorgaben umgesetzt werden. Die aktuelle Corona-Ausnahmesituation ist ein gutes Exempel: Die Politik gibt Leitplanken vor (zum Beispiel die Prämisse, die Schulen weitestgehend offen zu halten und so viel Unterricht wie möglich veranstalten), die Schulen müssen aber individuell entscheiden können, ob und wie sie Hybrid-Unterricht realisieren, wer in der Schule und wer zu Hause lernt.

Ein Homeschooling-Tag pro Woche

Machen wir aus der Not eine Tugend. Gerade müssen wir Pandemie-bedingt oft auf Homeschooling wechseln. Der unfreiwillige Distanzunterricht war bisher ein großer Digitalisierungsschub für Schulen. Nutzen wir also weiterhin einen Tag pro Woche, um digitalen Unterricht zu üben, um projektbasiert zu arbeiten. Jetzt in der Krise ist der Homeschooling-Tag eine Entlastung der Schulgebäude; später kann er als projektorientierter Frei-Day mit neuen Lernmethoden weitergeführt werden.

Lehrplan aufräumen

Wenn wir Zukunftskompetenzen wie Eigenständigkeit, Resilienz und Teamarbeit fördern wollen, dann brauchen wir dafür Zeit. Entmisten wir also das Curriculum, um Freiräume zu schaffen. Das ist während der Corona-Zeit relevant, um überhaupt eine realistische Perspektive zu haben, was in diesem Schuljahr zu bewältigen ist.

Eine Entschlackung des Lehrplans hilft aber auch in den kommenden Jahren, damit wir uns auf wesentliche Inhalte konzentrieren und fächerübergreifendes Lernen möglich machen können. Die digitale Transformation unseres Schulsystems ist eine Herausforderung für alle: für die Lehrer, für die Schulleitungen, die Schulträger und die Verwaltung. Um diese Mammutaufgabe auf machbare Pakete herunterzubrechen, müssen wir vor allem eins sein: pragmatisch. Dass wir das sein können, haben wir in der Krise bewiesen. Nehmen wir diesen Macher-Spirit auch in die nächsten Jahre mit, um alles dafür zu tun, dass wir unser Ziel erreichen und unsere Kinder zu digitalen Gestalten der Welt von morgen machen.

Die Autorin

Verena Pausder ist Digitalunternehmerin, Expertin für digitale Bildung und Vorständin des Vereins „Digitale Bildung für Alle e. V.“. Im Juni 2020 hat sie Deutschlands größten Bildungs-Hack-athon #wirfuerschule initiiert, bei dem mehr als 6000 Teilnehmer gemeinsam an Projekten für die Schule von morgen gearbeitet haben.