Der Jüngste seiner Art

OB Alexander Maier: Großes Medieninteresse beim Einzug ins Göppinger Rathaus. Foto: Thomas B. Jones

Alexander Maier ist aktuell der jüngste Oberbürgermeister in Deutschland. Seit wenigen Wochen lenkt er die Geschicke der baden-württembergischen Stadt Göppingen. Wir haben ihn zu seinem Wahlerfolg befragt und wollten wissen, mit welchen Plänen und Zielen er die Führung der Stadtverwaltung übernimmt.

Herr Maier, Gratulation! Seit Mitte Januar sind Sie Oberbürgermeister von Göppingen und mit 29 Jahren der jüngste OB Deutschlands. Was bedeutet Ihnen das?
Alexander Maier: Es ist eine unheimliche Ehre, dass ich in meiner Heimatstadt dieses Amt ausüben darf. Ich hätte sicher in keiner anderen Stadt kandidiert, denn an Göppingen hänge ich sehr. Insofern bedeutet mir das natürlich unheimlich viel. Ich bin auch stolz, dass die Wähler mir dieses hohe Amt zutrauen. Das ist natürlich ein sehr positives Gefühl und nicht selbstverständlich, gerade in Anbetracht meines Alters.

Was, meinen Sie, unterscheidet Sie von Ihren älteren Amtskollegen?
Maier: Abgesehen vom Geburtsdatum nur einige Dinge, die nichts mit dem Alter zu tun haben. Ich finde es zu pauschal, mich oder auch die Kollegen auf das Alter zu reduzieren. Es kommt auf den Charakter an und auf die persönlichen Fähigkeiten. Zumal ich ja auch nicht ewig der jüngste OB Deutschlands sein werde. Das „Problem“ löst sich mit der Zeit also von selbst.

Sie haben gegen den amtierenden Oberbürgermeister Wahlkampf geführt und 
gewonnen. Mit welchen Argumenten konnten Sie überzeugen?
Maier: Ich glaube, das Versprechen, die Bürger besser einzubeziehen, war der wichtigste Punkt. Deshalb waren mein Slogan und mein Angebot das „neue Miteinander“. Ich bin überzeugt, dass viele Menschen sich für ihre Gemeinde engagieren wollen. Ihnen möchte ich keine Steine in den Weg legen, sondern sie darin eher bestärken. Außerdem war mein Vorgänger 16 Jahre im Amt. Ich habe nie behauptet, dass sich die Stadt in dieser Zeit nicht auch gut entwickelt hätte. Trotzdem war nach so vielen Jahren ein Wechselwille spürbar.

Welche Schwerpunkte wollen Sie in den kommenden acht Jahren setzen?
Maier: Göppingen ist eine traditionsreiche Industriestadt. Dieses Erbe zu bewahren und gleichzeitig weiterzuentwickeln wird eine große Aufgabe sein. Die Transformation der Industrie geht nicht an uns vorbei und Corona hat manch negativen Trend noch beschleunigt. Ich will deshalb eine kreative Gründerszene entstehen lassen, gemeinsam mit den alteingesessenen Unternehmen, aber auch mit IT-Leuchttürmen wie der Firma Teamviewer. Hierfür haben wir schon die passende Fläche, nämlich das Boehringer-Areal. Wenn wir das entwickeln und Startups fördern, müssen wir nicht mit Angst in die Zukunft schauen. Natürlich gibt es noch ganz viele andere Themen. Die Belebung der Innenstadt, ein modernes Mobilitätskonzept, die Stärkung der Teilorte und vieles weitere mehr.

Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung vorangetrieben. Wo sehen Sie noch Potenzial? Und sind Sie als „Digital Native“ offener für das Thema als andere Verwaltungskräfte?
Maier: Vorangetrieben wurde die Entwicklung nicht unbedingt in der Geschwindigkeit, die wir nötig hätten. Zumindest zeigt die Pandemie die Probleme aber deutlich auf. Gerade auch für diejenigen, die bisher weniger offen waren für eine digitale Verwaltung. Ich sehe da ein riesiges Potenzial, gerade in Verwaltungen. Die Arbeit wird einfacher, effizienter und die Bürgerschaft kann die Angebote niedrigschwelliger nutzen. Als „Digital Native“ fallen mir manche Umstellungen sicher leichter als anderen. Trotzdem haben wir insgesamt in der Verwaltung eine große Offenheit, unabhängig vom Alter.

Wie wird der Kontakt mit den Bürgen in Ihrer Amtszeit aussehen? Setzen Sie auf digitale Lösungen?
Maier: Ich bin ja schon seit Jahren in den sozialen Medien unterwegs und nutze diese Kanäle weiterhin. Nicht einfach nur als Selbstdarstellungsplattformen, sondern als Kommunikationsplattformen. Auch für die Stadt kann ich mir hier neue Angebote vorstellen, um die Hürden für die Bürgerschaft so gering wie möglich zu halten. Wir wollen ja, dass sich die Bürger einbringen und mitmachen bei der Weiterentwicklung ihrer Stadt. Dafür muss ich natürlich die entsprechenden Möglichkeiten schaffen. Ich habe da einige Ideen, aber sehen Sie es mir nach, dass ich die zuerst mal innerhalb der Verwaltung diskutieren will.

Ihr neues Amt in der 60 000-Einwohner-Stadt bietet Ihnen viel Gestaltungsspielraum, zugleich führen Sie 1100 Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um?
Maier: Die Verantwortung ist tatsächlich riesig, aber ich habe mich noch nie vor einer Herausforderung gescheut. Sonst hat man in der Politik auch nichts verloren. Ich denke, die wichtigsten Eigenschaften sind Respekt und Mut. Respekt vor der Bürgerschaft, dem Gemeinderat, der Verwaltung und grundsätzlich mal vor allen Menschen, mit denen man es so zu tun bekommt. Die Meinungen gehen manchmal weit auseinander, das ist gut so, aber wir sollten diese Vielfalt auch akzeptieren und aus der Reibung Energie erzeugen. Und Mut braucht man für jede Entscheidung. Zuhören, die Argumente abwägen, überlegen, aber am Ende muss entschieden werden und die Konsequenzen trägt der OB. Dafür braucht es Rückgrat.

Vor welchen Herausforderungen steht die Stadtentwicklung? Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Pläne der Stadt?
Maier: Natürlich geht die Krise auch an uns nicht spurlos vorüber. Wir werden direkt in den Prozess der Haushaltskonsolidierung einsteigen müssen. Transparent und offen, aber doch mit dem klaren Ziel, den Haushalt langfristig auf stabile Beine zu stellen. Das erreicht man nicht nur durch Sparen und Streichen. Wir müssen auch an den richtigen Stellen investieren. Das Boehringer-Areal und die Ansiedlung eines kreativen, zukunftsfähigen Umfelds habe ich bereits angesprochen. Zusätzlich haben wir noch unsere Hochschule, mit der wir einen neuen Forscher- und Erfindergeist etablieren wollen. Wir brauchen Innovation und Innovation braucht einen offenen Geist.

Sie verfügen bereits über die Erfahrung eines Landtagsabgeordneten und haben das Bündnis „Kreis Göppingen nazifrei“ mitbegründet. Was hat Sie in die Politik geführt?
Maier: Ich habe mir 2009 die Wahlprogramme der größeren Parteien durchgelesen und das der Grünen hatte mich gleich angesprochen. Damals war Bundestagswahl und ich durfte das erste Mal wählen. Erst damit kam dann auch das richtige Interesse, deshalb bin ich überzeugt, dass Interesse und Engagement nur aus der Mitbestimmungsmöglichkeit erwachsen kann. Deshalb finde ich es toll, dass in Baden-Württemberg bereits mit 16 Jahren bei Kommunalwahlen gewählt werden darf. Deshalb will ich Jüngere mit einbinden und an den lebensnahen Entscheidungen in ihrer Stadt teilhaben lassen.

 

Zur Person
Alexander Maier (Jahrg. 1991) ist in Göppingen (Baden-Württemberg) aufgewachsen. Er schloss eine Ausbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien ab und absolvierte ein journalistisches Volontariat. Maier ist Mitglied von B90/Die Grünen. Von 2014 bis 2021 gehörte er dem Gemeinderat seiner Heimatstadt an und war von 2016 bis 2020 Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg. Seit Mitte Januar 2021 ist er Oberbürgermeister von Göppingen.

 

Interview: Jörg Benzing / Denise Fiedler