Anders, besonders, beweglich und mit neuer Arbeitsteilung − so wollen sich Städte und Gemeinden aufstellen, um ihren Standort in und nach der Corona-Krise zukunftsfest zu gestalten. Eine Studie zeigt, was Kommunen vorhaben.
Städte und Gemeinden waren und sind zu wenig angepasst an die Umwälzungen, die durch die Corona-Pandemie oftmals nicht neu hinzukamen, sondern durch diese akzentuiert werden. So lautet das Ergebnis einer Studie, die von der Imakomm Akademie zusammen mit dem Geografischen Institut der Universität Augsburg im Zeitraum Mai bis Juli 2020 erstellt wurde. Die Studie zeigt aber auch, dass sich Gestaltungsansätze für eine zukunftsfeste Standortentwicklung abzeichnen. Befragt wurden 134 Städte und Gemeinden, vornehmlich Klein- und Mittelstädte (siehe Randspalte).
Als im März/April die Krise und der Lockdown da waren, waren weder Kommunen noch Standortgemeinschaften (BDS/Bund-der Selbstständigen-Ortsvereine, Gewerbevereine, City-Gemeinschaften usw.) auf eine derartige Situation vorbereitet, Krisenpläne bestanden quasi nicht. Angesichts dessen waren die Reaktionszeiten auf den Lockdown schnell. Ansätze, über die jahrelang immer wieder gestritten worden war (Sondernutzungserlaubnisse usw.), wurden – zu Recht – unkompliziert umgesetzt.
Gleichwohl galt aber auch: Es wurden teilweise eklatante Unzulänglichkeiten beispielsweise in Vermarktungsstrukturen aufgedeckt. So hemmten fehlende Mailadressen im Mitgliederverzeichnis von Gewerbevereinen ein schnelles Reagieren. Nicht verwunderlich, dass in der Befragung 35 % der kommunalen Vertreter als eine Konsequenz auch die Notwendigkeit zur Professionalisierung der ehrenamtlich organisierten City- und Stadtmarketingstrukturen sehen.
Schon im Mai zeichneten sich nach Angaben der befragten Kommunen folgende Konsequenzen aus der Corona-Krise ab (Auswahl):
- Die 134 Kommunen gehen mehrheitlich (62 %) von einem Einbruch in den kommunalen Finanzen aus. Etwa ein Viertel sieht daher eine Gesamtstrategie bei der Stadtentwicklung mit Schwerpunktsetzungen als zwingende Reaktion an.
- 3 % befürchten kurzfristig einen Attraktivitätsverlust der jeweiligen Innenstadt, der allerdings auch nachhaltig bleiben wird, sofern keine Strategieänderung in der Innenstadtentwicklung erfolgen sollte.
- Der Wirtschaftsstandort wird in jeder fünften Kommune (22 %) mit nachhaltigen finanziellen Auswirkungen bei den Bestandsunternehmen umgehen müssen, dies in Verbindung mit einem Verlust an Arbeitsplätzen (12 %) und einer Zunahme von Unternehmensinsolvenzen (9 %).
- Die kommunalen Verwaltungen selbst sehen die Notwendigkeit, erstmalig eine Art Sicherheitsplan zu erarbeiten bzw. anzuwenden. Positiv: 27 % gehen von einem Digitalisierungsschub und damit dem Ausbau von E-Government-Angeboten der Kommune aus.
Eine Prognose für 2021, geschweige denn darüber hinaus, schien zum Zeitpunkt der Befragung für viele Entwicklungsbereiche einer Kommune fast unmöglich. Anders beim Thema Innenstadt:
- Der Strukturwandel in den Innenstädten wird durch die Corona-Krise akzentuiert und beschleunigt. Die Innenstadt bleibt aber dennoch funktionsfähig (sagen 63 % aller befragten Kommunen).
- Sie muss allerdings andere Funktionen als „nur Handel“ stärken, da die große Mehrzahl der Kommunen von einem verstärkten Verlust an Handelsbetrieben (75 % der Kommunen) und auch gastronomischen Angeboten (76 %) ausgeht. Sie muss zwangsweise multifunktionaler werden.
- Ändert sich das „Produkt“ Innenstadt, müssen auch neue Instrumente her bzw. bestehende modifiziert werden. So geht etwa jede fünfte Kommune (22 %) davon aus, dass Events als das Belebungsinstrument an Bedeutung verlieren werden. Hingegen wird ein Leerstands- bzw. (Um-) Nutzungsmanagement deutlich wichtiger (68 % aller Kommunen). Der Instrumentenkasten wird erheblich „durcheinandergewirbelt“.
- Die Wettbewerbsfähigkeit zu halten, hält etwa die Hälfte der Kommunen für realistisch (49 % aller Kommunen). Große Herausforderungen bleiben nach wie vor der Online-Handel und das sich weiter wandelnde Kundenverhalten.
Wie nun aktiv einen Standort zukunftsfest gestalten? Die befragten Kommunen zeigen klare Konsequenzen aus der Corona-Krise auf. Sie definieren gleichzeitig aber auch Gestaltungsansätze. Zukunftsfeste Standorte scheinen demnach vor allem vier Grundprinzipien („A-B-B-A-Prinzip“) zu verfolgen:
ANDERS als bisher an die Standortentwicklung herangehen. Beispiel Innenstadtentwicklung: Nicht mehr Frequenz durch den Handel, sondern Frequenz für den Handel muss ein Leitmotiv vor allem in kleineren Kommunen sein. Das bedeutet aber auch, dass eine Innenstadtstrategie viel mehr als bisher weitere Belebungspotenziale (Wohnen, Bildungseinrichtungen usw.) berücksichtigen muss. Ein Fokus auf ein klassisches, rein planungsrechtlich ausgerichtetes Einzelhandelskonzept greift künftig zu kurz.
BESONDERES stärken und bisherige Maßnahmen kritisch überprüfen, ggf. nicht mehr weiterverfolgen. Denn: Allein schon aus Gründen knapper werdender Finanzmittel müssen weiter verfolgte Maßnahmen mehr Wirkung als bisher erzielen. Beispiel Stadtmarketing: Bei eventuell reduziertem finanziellen Budget sind „übliche Events“ eventuell nicht mehr wirkungsvoll genug.
BEWEGLICHER werden, Strukturen schaffen, die zum einen befähigen, künftige Krisen zu antizipieren (Sicherheits- bzw. Notfallpläne), zum anderen aber ganz bewusst eine Weiterentwicklung zwingend institutionalisieren. Beispiel Stadtentwicklung: Ehrenamtliches Engagement entsteht demnach vor allem dann, wenn eine punktuelle, projektbezogene Beteiligung problemlos möglich ist und so verstandene Projektgruppen finanzielle Mittel zur Verfügung haben (in diesem Sinne ein Stück weit autark sind), explizit mit dem Auftrag, „neu zu denken“.
Eine neue ARBEITSTEILUNG etablieren, um klarere Verantwortlichkeiten beispielsweise zwischen privaten Gruppierungen und Kommune zu haben. Beispiel Innenstadtmarketing: Bestehende Vermarktungsstrukturen könnten ergänzt werden durch Anreizsysteme für aktive Betriebe, um so das Thema „Trittbrettfahrer“ in den Griff zu bekommen.
Schutzschirm in Ettlingen
Einzelne Elemente des „A-B-B-A-Prinzips“ finden sich in der Praxis bereits wieder. So ergänzt beispielsweise die Stadt Ettlingen (ca. 39.500 Einwohner) bei Karlsruhe zusammen mit der örtlichen Werbegemeinschaft seit April 2020 das bestehende Citymanagement durch eine neue Form der Arbeitsteilung. Eine zentrale Ergänzung: Die Stadt stellt einen Fördertopf in 2020 in Höhe von 100.000 Euro. Für 2021 und die Folgejahre ist ein noch breiter angelegter Innenstadt-Schutzschirm in Aufbau. Stadt und Werbegemeinschaft haben zudem weitere wichtige geldwerte Vorteile definiert (siehe Kasten oben). Die Förderung steht aber nur jenen innerstädtischen Betrieben zur Verfügung, die aufgrund der Corona-Krise in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind und die ihrerseits Qualitätskriterien erfüllen, die zur Positionierung der Innenstadt beitragen. Hierzu zählt beispielsweise das altbekannte Problem uneinheitlicher Kernöffnungszeiten. Unterstützung erhalten also nur jene Betriebe, die dieses und weitere Kriterien erfüllen. Es entsteht ein gegenseitiges Leistungsversprechen, welches letztlich das Kundenerlebnis stärkt.
Die Imakomm-Studie bietet also teilweise erwartbare, teilweise überraschende Ergebnisse zur Frage, wie Kommunen ihren Standort zukunftsfest entwickeln können. Erste Grundprinzipien einer neuen Standortentwicklung scheinen sich, salopp wiedergegeben, im „A-B-B-A-Prinzip“ abzuzeichnen und sind in der Praxis teilweise bereits zu finden. Gleichwohl wird wohl ein weiteres Grundprinzip der künftigen Kommunalentwicklung auch das alte Prinzip „Nichts ist beständiger als der Wandel“ sein. Dieser kann, das zeigen Mut machende Beispiele auf kommunaler Ebene, gestaltet werden.
Peter Markert