Zukunftsfähige Schulgebäude

Das digitalisierte und gloabalisierte 21. Jahrhundert braucht nicht nur anderes Wissen, sondern andere Fähigkeiten als frühere Zeiten – und damit auch andere Gebäudekonzepte.Foto: Adobe Stock/fotogestoeber

Eine zeitgemäße Pädagogik braucht zukunftsfähige Schulgebäude: Dafür plädiert Barbara Pampe. Die Architektin berichtet von überholten Regularien, aber auch davon, dass vieles möglich und manches in Bewegung ist.

Wir alle wissen, wie eine Schule aussieht, schließlich waren wir alle selbst auf einer: Lange Gänge, an denen sich die Klassenräume reihen, hinter deren verschlossenen Türen die Sitzreihen zentral nach vorne ausgerichtet sind. Das Problem: Solche Schulen sind nicht mehr zeitgemäß.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich unsere Lebenswelt immer schneller gewandelt — und eine zukunftsfähige Pädagogik muss dem Rechnung tragen. Denn unser digitalisiertes und globalisiertes Jahrhundert erfordert nicht nur anderes Wissen, sondern auch andere Fähigkeiten. Eine zukunftsfähige Pädagogik muss vor allem vier Kompetenzen vermitteln: Kollaboration, Kreativität, kritisches Denken und Kommunikation.

Deshalb passieren in Schulen auch heute schon ganz andere Dinge. Projektarbeiten werden durchgeführt und präsentiert, es wird teamorientiert, jahrgangsübergreifend und inklusiv gearbeitet. Die Schüler sind ganztags da, müssen essen und sich erholen können. Schule wird immer mehr zum Lern- und Lebensort — und auch das Nutzungsspektrum der Räume ändert sich.

Damit können die klassischen Schulen, wie viele von uns sie im Kopf haben, aber kaum mithalten. Denn sie sind hochspezialisierte Gebäude, ausgerichtet auf eine einzige Unterrichtsform: den Frontalunterricht. Wenn aber die Lernformate vielfältiger und variabler sind, müssen wir die Lernräume ebenso flexibel und vielfältig denken und planen. Hierfür sind offenere Formate wie Lerncluster oder offene Lernlandschaften deutlich besser geeignet.

Austausch zum Beispiel zu zweit statt nur Frontalunterricht: Lernformate sind vielfältiger als früher. Foto: LIGHTFIELD STUDIOS

Problematisch dabei ist aber, dass diese Idee, „wie Schule aussieht“, sich nicht nur in unseren Köpfen findet, sondern auch in Normen, Musterraumprogrammen, Regularien und Richtlinien. So lassen sich zum Beispiel die DIN-Normen für Akustik oder Beleuchtung kaum auf offene Lernsettings anwenden. Das führt zu Unsicherheiten und oftmals dazu, dass eben doch auf vertraute, aber längst überholte Lösungen zurückgegriffen wird.

Dabei gibt es mittlerweile zahlreiche Beispiele dafür, wie sich unter den bestehenden Vorgaben genehmigungsfähige und dennoch innovative Schulbauten verwirklichen lassen, wenn Planer sowie Verwaltung zusammenarbeiten und mutig vorangehen. Wie das aussehen kann, loten wir als Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft mit zahlreichen Partnern in verschiedenen Pilotprojekten aus, derzeit etwa beim Neubau der Staatlichen Gemeinschaftsschule Weimar. Um diese im besten Sinne nachhaltig zu gestalten, dokumentieren wir die Erkenntnisse und Entscheidungen auf unserer Online-Plattform „Schulbau Open Source“. So steht das gesamte Planungswissen allen zur Verfügung.

Neue Schulregeln sind gefragt

Aber das reicht nicht: Mittelfristig führt kein Weg daran vorbei, die entsprechenden Vorgaben zu ändern und an die heutigen Anforderungen anzupassen. Erfreulicherweise geschieht das bereits vielerorts. Zahlreiche Kommunen und Länder ändern ihre Schulbauleitlinien, oft in Anlehnung an die von der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft mitherausgegebenen „Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten in Deutschland“. Großstädte wie München, Hamburg oder Frankfurt haben ihre Brandschutzvorgaben an offenere Strukturen angepasst. Ebenso unterwegs ist das Land Nordrhein-Westfalen mit seiner Schulbaurichtlinie.

Dabei ist wichtig, dass die Rahmenbedingungen ausreichend Flexibilität bieten. Denn beim Schulbau gibt es kein Patentrezept. Schulen sind individuell. e haben verschiedene pädagogische Konzepte, sind in ihr Quartier eingebettet, die Bevölkerungs- und damit die Schülerzahlen entwickeln sich je nach Kommune und Region unterschiedlich.

Zudem müssen bei Schulbauten zahlreiche Perspektiven mitbedacht werden: Verwaltungen haben einen anderen Blick auf Schule als Lehrkräfte, Pädagogische Mitarbeiter einen anderen als Architektinnen, Ingenieure einen anderen als Schülerinnen. Deswegen müssen alle Beteiligten frühzeitig in den Dialog treten: So lässt sich ein gegenseitiges Verständnis für die unterschiedlichen Vorstellungen und Anforderungen schaffen.

Projektarbeit findet längst nicht immer an Schreibtischen statt – auch das sollte bei der Planung von Schulgebäuden berücksichtigt sein. Foto: Adobe Stock/Halfpoint

Ein Format dafür ist die „Phase Null“, die der eigentlichen Bauplanung vorgeschaltet wird. Die Idee dahinter ist, dass in dieser Phase alle Beteiligten zusammenkommen, um ein tragfähiges pädagogisch-räumliches Konzept zu entwickeln. Das vermeidet nicht nur teure Fehlplanungen, sondern stellt auch sicher, dass Bauvorhaben effizient, bedarfsgerecht und zukunftsfähig sind.

Eine solche intensive Abstimmung erhöht die Identifikation der Schulgemeinschaft und gegebenenfalls des Quartiers mit der Schule und dem Bauprojekt. Zudem bietet sie ihr die Chance, die Schulentwicklung anzustoßen und das pädagogische Profil für die Zukunft zu schärfen. Die Verwaltung wiederum kann die Einbettung der Schule ins Umfeld bedarfsgerecht und zukunftsorientiert planen, Synergieeffekte nutzen und so insgesamt das Viertel oder die gesamte Kommune aufwerten.

Das Ergebnis eines solchen Prozesses muss nicht immer ein Neubau sein — man kann auch leerstehende Kaufhäuser oder Bürogebäude in den Innenstädten zu Schulen umrüsten. Das hätte viele Vorteile: Kommunen könnten dem Leerstand begegnen, Schulen wären stärker ins Quartier eingebunden, und die großen Grundflächen bieten sich geradezu an für offen gestaltete Lernräume. Zusätzlich würde dies eine Menge grauer Energie einsparen, es wäre also ein Beitrag zur dringend benötigten Transformation des Bauwesens in Richtung Klimaneutralität.

Im Dialog lassen sich innovative und nachhaltige Schulen gestalten. So individuell sie auch sind, eins haben sie alle gemein: Mit der Vorstellung von Schule in unseren Köpfen haben sie kaum noch etwas zu tun.

Barbara Pampe


Die Autorin

Barbara Pampe ist Architektin und Vorständin der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft.