Was geht bei den Baustoffen?

Kommunen sind wichtige Partner der Baubranche, betont Matthias Frederichs. Mehr noch: Sie können dafür sorgen, dass bei Bauplanungen kein Sand im Getriebe ist. Foto: Adobe Stock/industrieblick

Lieferengpässe sind nicht (mehr) das Problem – und mehr Bauaktivitäten sind nicht nur dringend erwünscht, sie sind auch möglich. Dafür müsste aber an zentralen Schrauben gedreht werden: Das ist das Anliegen von bbs-Hauptgeschäftsführer Matthias Frederichs.

Während das BIP Deutschlands 2022 preisbereinigt um 1,9 Prozent anstieg, schrumpften die Bauinvestitionen um 1,6 Prozent. Anstelle von 400.000 fertiggestellten Wohnungen, die sich die Bundesregierung als Ziel gesetzt hat, dürften 2022 deutlich unter 300.000 fertiggestellt worden sein. Für 2023 wird sogar nur noch mit knapp 250.000 neuen Wohneinheiten gerechnet.

Auch die Investitionen im gewerblichen und im öffentlichen Bau werden 2023 voraussichtlich zurückgehen, parallel erschweren die steigenden Bauzinsen die Finanzierung. Eine fatale Entwicklung, schließlich wächst der Bedarf nach bezahlbarem und nachhaltigem Wohnraum ebenso wie nach einer umfangreichen Modernisierung des Straßen- und Schienennetzes.

Als Grund für die Krise am Bau werden häufig Materialknappheiten angeführt. Allerdings sind die temporären Engpässe, die 2021 und 2022 insbesondere bei Holz und Baustahl bestanden haben, weitgehend überwunden. Vielmehr sind deutlich höhere Material- und Baupreise ein Problem, wobei sich hier vor allem die gestiegenen Energiepreise niederschlagen. Die Preise für Strom und Gas sind etwa dreimal so hoch wie vor der Krise, was sich in den Erzeugerpreisen widerspiegelt.

Lieferengpässe sind zwar im Moment kein zentrales Thema mehr, dennoch ist die Gewährleistung der Versorgungssicherheit mit Baumaterialien angesichts der enormen Bauaufgaben von großer Bedeutung. Das gilt nicht zuletzt für heimische Baurohstoffe wie Kies, Sand, Naturstein, Kalk, Ton oder Gips. Deutschland verfügt hier über genügend geologische Vorkommen, um den eigenen Bedarf langfristig decken zu können. Jährlich werden in Deutschland rund 580 Millionen Tonnen an mineralischen Rohstoffen gewonnen.

Baustoffe aus der Region für die Region

Die Versorgung erfolgt aus mehreren tausend Betrieben, die dezentral über Deutschland verteilt sind. So beträgt der durchschnittliche Transportweg bei den Massenrohstoffen Kies, Sand und Naturstein gerade einmal 30 bis 40 Kilometer. Daher gilt in der Regel das Stichwort: aus der Region für die Region. Dies verursacht gleichzeitig geringe Transportemissionen und belastet nicht unnötig die Umwelt.

Rohstoffknappheiten, wie sie zum Beispiel regional in den vergangenen Jahren immer wieder bei Kies und Sand auftraten, sind somit kein geologisch bedingter Mangel, sondern vorrangig auf zu langsame Planungs- und Genehmigungsverfahren zurückzuführen. Rechtlich gesehen sind die Verfahren Ländersache, und die dazugehörigen Ent-scheidungen werden meist regional getroffen. Kommunen und Betrieben wird deshalb empfohlen, den Baubedarf und die Rohstoffsicherung idealerweise auf Jahrzehnte im Voraus abzuschätzen, damit entsprechende Genehmigungen zur Gewinnung von mineralischen Rohstoffen rechtzeitig erteilt werden können.

Dabei ist eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung zur Steigerung der Akzeptanz ebenso unerlässlich wie die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den beteiligten Akteuren. Eine Optimierung der Versorgung ist mit der Ausweisung von Rohstoffsicherungsflächen erreichbar. Diese rohstoffhaltigen Flächen werden als Absicherung vor der Überplanung geschützt und können bei entsprechender Nachfrage zügig genehmigt werden.

Mehr Verwendung von Recycling-Baustoffen

Materialknappheit kann zudem auch mit einem verstärkten Einsatz von Recycling-Baustoffen (RC-Baustoffen) begegnet werden. Jährlich werden aus mineralischen Bauabfällen mehr als 70 Millionen Tonnen RC-Baustoffe hergestellt. Diese werden zum weit überwiegenden Teil im Straßen- und Erdbau eingesetzt und ersetzen hier Primär-baustoffe, wodurch natürliche Ressourcen geschont werden.

Bei der Verwendung von RC-Baustoffen sind es vorrangig öffentliche Auftraggeber wie die Kommunen, die über die Vergabeverfahren entscheiden. In der Praxis scheitert die Anwendung häufig an zum Teil höheren Kosten von RC-Baustoffen, an der fehlenden Verfügbarkeit oder an Vorbehalten in den Verwaltungen.

RC-Baustoffe können heute und zukünftig allerdings nicht den ganzen Bedarf decken, da nur recycelt werden kann, was auch abgerissen wird. Der Trend geht jedoch zu verstärkter Sanierung und weniger Neubau, so dass perspektivisch nicht wesentlich mehr RC-Baustoffe als heute zur Verfügung stehen werden. RC-Baustoffe können deshalb die primäre Rohstoffgewinnung zu keinem Zeitpunkt vollständig ablösen. Stattdessen ist ein kluges Zusammenspiel gefordert.

Unterstützung durch Bund und Länder erforderlich

Nicht zu unterschätzen sind die positiven volkswirtschaftlichen Effekte von Bau-investitionen. Die öffentliche Hand tätigt rund 12 Prozent aller Bauinvestitionen in Deutschland, 60 Prozent davon wiederum werden von den Kommunen vorgenommen. Eine lokal wachsende Bau- und Rohstoffindustrie wirkt sich positiv auf die Attraktivität der Region, insbesondere für Fachkräfte, aus.

Durch den hohen lokalen Wertschöpfungsgrad der Bauwirtschaft unterstützen entsprechende Investitionen außerdem die regionale Wirtschaftsstruktur, sorgen für Steuereinnahmen und steigern die Lebensqualität: durch Instandsetzung und Ausbau der lokalen Infrastruktur sowie den Bau von Wohnraum.

Gerade in Zeiten einer sinkenden Baukonjunktur sind die finanziellen Mittel somit gut investiert. Entsprechend sind auch Bund und Länder aufgefordert, die notwendigen kommunalen Investitionen in die Daseinsvorsorge sicherzustellen. Matthias Frederichs

Der Autor: Dr. Matthias Frederichs ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Baustoffe – Steine und Erden (bbs).

Kalk, Sand, Kies & Co

Der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e. V. vertritt als Dachverband die wirtschaftspolitischen Interessen der mineralischen Roh- und Baustoffindustrie in Deutschland. Die Branche erwirtschaftet mit 150.000 direkt Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund 39 Milliarden Euro.