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Die ausreichende Verfügbarkeit von Fachkräften ist neben verlässlichen Förderinstrumenten entscheidend, um den Ausbau der Wärmenetze voranzutreiben. In Sekundär- und Hybridnetzen können verstärkt polymere Rohrsysteme zum Einsatz kommen und den Ausbau deutlich beschleunigen, da sich hier anstelle von Schweißfachkräften auch qualifizierte Tiefbauunternehmen sowie z. B. Mitarbeitende von Stadtwerken für die Verarbeitung einbeziehen lassen.
Wärmenetze sind notwendige Enabler für den Einsatz erneuerbarer Energien sowie zur Nutzung unvermeidbarer Abwärme, um die Wärmeversorgung im Gebäudebestand zu dekarbonisieren. Die kommunale Wärmeplanung schafft Klarheit, wo diese grünen Wärmenetze künftig präferierte wirtschaftlichste Versorgungsoption sein werden und in einer Stadt oder Gemeinde räumlich zu verorten sind. In der Umsetzung werden Nahwärmenetze als Inselnetze z. B. für ein dezentrales Wohnquartier sowie große ausgedehnte Stadt(teil)netze durch Aus- und Neubau der Wärmenetzinfrastruktur entstehen. Bei Inselnetzen auf Quartiersebene sind polymere Rohrsysteme bereits verbreitet erfolgreich installiert und haben hier durch Kosteneinsparungen sowie deutlich kürzere Bauzeiten überzeugt [1;2]. Polymere Rohrsysteme können und müssen beim beschleunigten Ausbau der Wärmenetze jedoch über Inselnetze hinaus eine größere Rolle spielen, um die ehrgeizigen Ausbauziele zu erreichen.
Die Ausbauwelle kommt
Bis Mitte 2028 sollen für alle Kommunen in Deutschland kommunale Wärmepläne vorliegen, für Kommunen mit mehr als 100 000 Einwohnern bereits bis Mitte 2026. Bemerkenswert ist, dass gemäß Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Anfang 2024 schon 21 % aller Kommunen auf dem Weg waren, d. h., dass sie mit der Erarbeitung begonnen haben [3]. Begründet ist dies mit teilweise ehrgeizigeren Zielen im Hinblick auf das Erreichen der Treibhausgasneutralität bereits vor dem Jahr 2045. Klar ist: Die „Ausbauwelle“ von Wärmenetzen kommt. Es ist eine erhebliche Kraftanstrengung aller Beteiligten notwendig, um diesen Ausbau operativ in Planung und Bau erfolgreich zu bewerkstelligen.
Hemmnisse überwinden und Vorteile nutzen
Der Ausbau mit Kunststoffmantelrohr- (KMR-) Leitungen ist bei großen Transport- und Hauptverteilleitungen alternativlos aufgrund der erforderlichen Transportkapazität (Rohrquerschnitte) sowie der teilweise hohen Temperatur- bzw. Druckanforderungen. Darüber hinaus – dort wo es die technischen Anforderungen zulassen – braucht es jedoch verbreitet die Offenheit gegenüber polymeren Rohrleitungen (PMR). Die Vorteile von PMR zeigen sich bereits im Planungsprozess, der einfacher und schneller möglich ist. Aufgrund der Selbstkompensation der Rohrleitungen ist z. B. keine Rohrstatik erforderlich und die Flexibilität der Rohrleitungen mit kleinen Biegeradien erleichtert i. d. R. die Trassenführung.
Für die operative Umsetzung ist es ein Gewinn, wenn basierend auf dem PMR-Einsatz neue bzw. zusätzliche Verlegerkapazitäten einbezogen werden können. Dazu zählen z. B. Tiefbauunternehmen ohne spezielle KMR-Expertise oder auch Mitarbeitende von Stadtwerken. Intensive Schulungen der Hersteller von PMR-Systemen im Werk und auf der Baustelle schaffen hier die Voraussetzungen zur professionellen Verarbeitung der Rohrleitungen einschließlich Verbindungstechnik und Nachisolierung.
Zwischenfazit: Bei Erfüllung der technischen Voraussetzungen sollte künftig die Kombination KMR und PMR konsequent genutzt werden, um damit „das Beste aus beiden Welten“ schneller in die Anwendung zu bringen. Im Hinblick auf die konkrete Umsetzung ist in zwei Kategorien zu unterscheiden:
- Sekundärnetze mit PMR (Primärnetz mit KMR)
- Hybridnetze mit KMR und PMR
Sekundärnetze mit PMR
Die hydraulische Entkopplung ermöglicht eine Absenkung von Netztemperaturen und Druckstufe als Voraussetzung für einen Materialwechsel von KMR auf PMR im Sekundärnetz (siehe Schaubild). Damit wird eine wirtschaftliche Erschließung von Quartieren z. B. auch mit geringerer Wärmeliniendichte möglich. Bei PMR wird verbreitet bis zur Dimension d63/202 (Spezifikation mit verstärkter Dämmung) ein Doppelrohr als flexibles System mit einer Standardringbundlänge bis 75 m eingesetzt. Doppelrohre sind im Netzbetrieb aufgrund der im Mittel rund ein Drittel geringeren Wärmeverluste im Vergleich mit Einzelrohren zu bevorzugen.
Bei KMR dominieren i. d. R. Einzelrohrleitungen. Der Bau von KMR-Doppelrohrsystemen ist in der baulichen Umsetzung herausfordernd im Hinblick auf die Herstellung der Schweißnähte an den Verbindungsstellen. Das heißt, dass, wenn von KMR-Einzelleitungen hin zu PMR-Doppelleitungen gewechselt wird, der Kostenvorteil zusätzlich verbunden ist mit einem Effizienzvorteil durch signifikante Minderung der Wärmeverluste. Der Kostenvorteil PMR im Vergleich zu KMR wird nicht (primär) aus der Einsparung von Materialkosten erreicht. Vielmehr resultiert die Kostenminderung aus einer Gesamtbetrachtung und Einbeziehung der unterschiedlichen Anzahl von Komponenten und dem Aufwand durch die erforderlichen Verarbeitungsschritte (siehe Bild). Unter dem Strich kann deshalb ein PMR-Netzteil in deutlich kürzerer Bauzeit realisiert werden.
Praxisbeispiel Sekundärnetz in Stralsund
Am Westrand der Stadt Stralsund entsteht das Neubaugebiet B-Plan 39 mit insgesamt elf Mehrfamilienhäusern und 94 Einfamilienhäusern. Die SWS Stadtwerke Stralsund GmbH verfolgt eine klare Strategie bestehend aus Transformation der bestehenden Netzinfrastruktur durch sukzessive Einbindung weiterer erneuerbarer Wärmequellen sowie den Netzausbau. Im B-Plan 39 setzt die SWS erstmals Kunststoff ein und vertraut auf das zertifizierte PMR-System RAUTHERMEX. Der Bau des Netzes hat im Frühjahr 2023 begonnen; die ersten Gebäude werden ab Mitte 2024 versorgt. Das Sekundärnetz wird gespeist aus dem angrenzenden Fernwärmenetz. Weitere PMR-Anwendungen sind im Zuge des Ausbaus der leitungsgebundenen Wärmeversorgung in der Kernstadt geplant.
Hybridnetze mit KMR und PMR
Sind die technischen Voraussetzungen für das betrachtete Gesamtnetz im Hinblick auf maximale Betriebstemperatur und Druckstufe erfüllt, kann ein Hybridnetz entstehen. Die Ausführung des PMR-Anteils ist dabei nicht beschränkt auf die Hausanschlussleitungen, sondern umfasst i. d. R. die Unterverteilung z. B. in einzelnen Straßenabschnitten. Welche maximale Dimension bei PMR wirtschaftlich im Vorteil ist gegenüber KMR, hängt von zahlreichen Randbedingungen ab. So werden im Einzelfall auch große PMR-Rohrdimensionen bevorzugt eingesetzt, wenn die Trasse z. B. längere Abschnitte mit vielen Richtungsänderungen sowie ggf. vertikale Versprünge aufweist, die bei KMR eine Vielzahl an Formteilen sowie Passstücken erfordern würde. Die Schnittstelle von KMR auf PMR ist z. B. mit Parallelabzweig durch universell schweißbare Übergangsfittings auszuführen, die einseitig mit den PMR-Leitungen verpresst werden (siehe Bild).
Praxisbeispiele für Hybridnetze
Hybridnetze sind keine neue Erfindung. Es existieren einige erfolgreich umgesetzte Projekte, die beispielgebend sein können für die Zukunft. Die Solarcomplex AG verfügt hier über gute Erfahrungen bei mehreren Hybridnetzen, die in den letzten zehn Jahren geplant und gebaut wurden. Weitere Projekte, bei denen das polymere Rohrsystem RAUTHERMEX von REHAU in Kombination mit KMR zum Einsatz kam, gibt es u. a. in Sebnitz bei Dresden und Herbrechtingen. In Adelsdorf, einer Kommune mit 9 500 Einwohnern 40 km nordwestlich von Nürnberg, wird Klimaschutz durch den Auf- bzw. Ausbau eines Hybridnetzes sehr engagiert vorangetrieben. Erste Erfahrungen mit leitungsgebundener Wärmeversorgung wurden bereits 2007 durch Bau und Betrieb eines Inselnetzes gesammelt. Im Jahr 2022 folgte der notwendige Aufbau kommunaler Strukturen mit Gründung der Gemeindewerke Adelsdorf. Zur Ablösung dezentraler fossiler Einzelfeuerungsanlagen durch die Bereitstellung grüner Wärme gibt es einen klaren Fahrplan. Für Wohnungsunternehmen und Gebäudeeigentümer bietet dies Sicherheit im Hinblick auf die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen gemäß Gebäudeenergiegesetz. Adelsdorf ist damit beispielgebend dafür, wie die notwendige Transformation in Richtung Klimaneutralität in kleinen und mittleren Kommunen durch engagiertes Handeln konsequent vorangetrieben werden kann.
Fazit
Ein beschleunigter Ausbau von Wärmenetzinfrastruktur erfordert den Einsatz zusätzlicher Kapazitäten in Planung und Bau. Die entsprechende Qualifizierung z. B. von Tiefbauunternehmen sowie Mitarbeitenden bei Stadtwerken gewinnt an Bedeutung und wird von Herstellern verbreitet unterstützt. Flexible PMR können über Inselnetze auf Quartiersebene hinaus bei Einsatz in Sekundär- und Hybridnetzen einen substanziellen Beitrag leisten, um die Transformation der Wärmeversorgung in Richtung Klimaneutralität zu erreichen. Mit dem Materialwechsel bzw. der Kombination KMR und PMR kann bezogen auf den PMR-Teil erfahrungsgemäß bis zu rund ein Drittel der Investitionskosten eingespart und die Bauzeit deutlich verkürzt werden. Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg bei der Integration von PMR auch in größere Netze ist die Einhaltung zugesicherter Eigenschaften sowie der Fokus auf Langlebigkeit und Qualitätssicherung im Gesamtsystem bestehend aus Rohrleitungen, Rohrverbindungstechnik und PMR-Muffen zur Nachisolierung.
Literatur
[1] Kruse, O.: Nah- und Fernwärmeversorgung für Quartiere in Klein- und Mittelstädten. EUROHEAT&POWER,50. Jg. (2021), H. 6, S. 40–44.
[2] Kruse, O.: Die Grünheide – ein Quartier in Bielefeld auf dem Weg zur Klimaneutralität. EUROHEAT&POWER, 51. Jg. (2022), H. 6, S. 26–30.
[3] Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.Stand 13. Februar 2024. https://www.bmwsb.bund.de/Webs/BMWSB/DE/themen/stadt-wohnen/WPG/WPG-node.html
[4] Kraft Weierich, A.: In Bonndorf entsteht innovatives Mischnetz mit KMR und PMR. EuroHeat&Power,44. Jg. (2015), H. 7-8, S. 26–27.
Kontakt:
REHAU Industries SE & Co. KG
Ytterbium 4
91058 Erlangen
Ansprechpartner:
Dipl.-Ing. (FH) Olaf Kruse
Produktingenieur & Projektmanager Nahwärme
Telefon: 09131 925346
E-Mail: olaf.kruse@rehau.com
gebaeudetechnik.rehau.de/nahwaerme