„Wir wollen Fantasieräume öffnen“

Spielplätze unterstützen die motorische Entwicklung von Kindern. Aber was hat es mit „Sinnesräumen“ auf sich, wie sie das Stuttgarter Unternehmen Kukuk plant? Im Interview erklären die Firmengründer Robin Wagner und Bernhard Hanel, warum ihr Konzept mit dem Altbekannten bricht.

 

Herr Wagner, Herr Hanel, die Spielplätze von Kukuk sehen ganz besonders aus. Was hat es damit auf sich?

Wagner: Unsere Spielplätze berücksichtigen die verschiedenen Entwicklungsstufen der Kinder und Jugendlichen und schaffen aus pädagogischen Standpunkten heraus Angebote, die in dem jeweiligen Alter Anreize bieten. Wir brechen mit den gängigen Spiel- und Sehgewohnheiten und öffnen Fantasieräume für neue Ideen und Sichtweisen. Das lässt sich gut durch eine ästhetische Gestaltung auslösen. Eine Pädagogik, die sich auf künstlerische Ausformung stützt, macht eine Anbindung an die Natur erlebbar. Dabei lehnen wir uns mit der Materialwahl, der Einbindung in die Topografie und der Formensprache an die Natur an.

Hanel: Wir haben einige Spielplätze, die wenig ganz Konkretes vorweisen. Dadurch zeichnen sie sich aus. Hier ergeben sich unzählige Spielmöglichkeiten. Das Fehlen vorgegebener Situationen – das macht sie vieldimensional. Sie sind sozusagen immer wieder neu, auch für Jugendliche und Erwachsene. Und weil sie keine Spielplatzanmutung haben, sind sie nicht uncool.

Was gibt es für Kommunen allgemein im Spielplatzbau zu beachten?

Wagner: Städte und Gemeinden sollten sich attraktive Spielplätze zulegen und lieber auf hochwertige Plätze setzen, für die sie zentrale, gut erreichbare Orte finden. Und auf der anderen Seite freie natürliche Spielflächen erhalten, die nicht möbliert sind. So schaffen sie ein breiteres Spektrum an Spielräumen in urbaner Umgebung.

Hanel: Die Kommunen sollten sich stärker der Verantwortung bewusst werden, dass es eine gesellschaftliche und pädagogische Aufgabe ist, Orte zu gestalten, an denen Kinder die Möglichkeit einer spielerischen Welterfahrung haben. Sie sollten weggehen vom reinen Ausstattungsgedanken.

Sie errichten Spielplätze in Kindertagesstätten, Schulen oder öffentlichen Plätze. Wie unterscheiden sie sich?

Wagner: Die Art des Angebotes richtet sich nach Alter, Fähigkeiten und Möglichkeiten, die Kinder in den unterschiedlichen Altersstufen haben. Und dann gibt es noch gewisse funktionale Aspekte: In einer Schule sind in einem sehr begrenzten Zeitraum viele Schüler auf einem Platz, während in einer Kita 20 bis 25 Kinder über Stunden draußen spielen. Bei öffentlichen Plätzen spielen die Wünsche der Gemeinde und des Ortes eine große Rolle: Was wird hier erwartet? Sollen Landmarken erzeugt werden, die stärkeres Aufsehen und Ansehen für die Gemeinde erregen, oder soll zum Beispiel ein Quartier aufgewertet und durch einen Spielplatz eine stärkere Identität abgedeckt werden?Hanel: Aber im Grunde sollten sie sich immer weniger unterscheiden. Jeder Platz sollte öffentlich sein. Es gibt immer mehr Kommunen, die beispielsweise die Schulpausenhöfe außerhalb der Schulzeit auch für die Öffentlichkeit öffnen. In Schulen und Kindergärten ist das pädagogische Moment besonders wichtig, weil die Kinder hier keine Ausweichmöglichkeit haben. Die Frage ist hier, was ist entwicklungspsychologisch am wichtigsten. Erst in letzter Zeit wird auch immer klarer: Wir brauchen nicht nur Platz für die lauten wilden zum Toben, sondern vor allem auch für die stillen Kinder. Sie brauchen Rückzugsmöglichkeiten im Außenraum, Erholungsräume, um die auf sie einflutenden Eindrücke verarbeiten zu können. Hier liegt eine große Verantwortung in der Planung, dass alle Aspekte und Bedürfnisse berücksichtigt werden.Wer kann sich an der Planung Ihrer Spielplätze beteiligen?

Wagner: Beteiligen können sich alle, allerdings unter gewissen Voraussetzungen. Der Beteiligungs- und Partizipationsprozess wird dann fruchtbar, wenn er gut gesteuert ist. Ein wichtiger Teil in diesem Vorgang ist die Wunschforschung. Hier können die Bedürfnisse der einzelnen Nutzer entwickelt werden, weg von festen Vorstellungen.

Hanel: Eigentlich sollten Gemeinden gar keine Spielplätze mehr bauen, ohne die Bürger zu beteiligen. Und zwar von der Planung bis zur Verwirklichung. So lernen alle Beteiligten, die Idee in die Realität zu bringen. Sie stellen fest, dass das, was sie sich ausgedacht haben, Wirklichkeit wird, dass man das hinkriegen kann. Und mit dem, was man sich erdacht und was man dann gebaut hat, identifiziert man sich auch ganz anders.

Welchen Nutzen ziehen Kinder und Erwachsene aus solchen Bewegungsräumen?

Wagner: Letztlich ist es motorische Vielfalt. Durch sie wird im besten Fall der ganze Mensch angesprochen und trainiert. Er lernt sich vielfältiger zu bewegen und traut sich dadurch im Alltag mehr zu. Für Kinder ist es besonders wichtig, die persönlichen Grenzen zu erfahren und zu erweitern. Und es gibt natürlich auch gewisse interaktive soziale Prozesse. Wenn man sich auf dem Seil begegnet, muss man sich gegenseitig Platz einräumen, und Hilfe annehmen, wenn man nicht weiterkommt. So entsteht eine stärkere Wahrnehmung füreinander und für die Situation, in der der Andere sich befindet. Man geht automatisch hilfsbereiter und sozialer miteinander um.

Hanel: Der Nutzen ist der, im Bewegen loslassen zu können, in einen anderen Zeit-rhythmus zu kommen – das ist das eigentliche Erlernen. Kinder sollen die Welt im Spielerischen erfahren, ausbrechen aus der
Realität. Dass sie dazu auf künstliche Bewegungsräume angewiesen sind, weil der urbane Raum, wie wir ihn schaffen, nicht bespielbar ist, stellt eigentlich eine Bankrotterklärung unserer Gesellschaft dar.

Für Spielplätze gelten besondere Sicherheitskriterien. Wie fließen diese in die Gestaltung ein?

Hanel: Wir müssen diese Kriterien natürlich berücksichtigen, aber wir versuchen, sie so offen wie möglich zu interpretieren. Kinder, aber auch Jugendliche und Erwachsene brauchen kalkulierbare Gefahren, um Grenzen einschätzen zu können. Die Aufgabe ist es, die Risiken in einen Rahmen zu bringen, der sie vertretbar macht.

Holz und Granit finden sich neben Seilen, Acrylglas und Stahl auf Ihren Plätzen. Was spricht für dieses Zusammenspiel?

Wagner: Es werden dadurch Spannungsfelder geschaffen, die den Spielraum interessanter und vielseitiger machen. Gleichzeitig entsteht ein breiteres Angebot für Sinneswahrnehmungen und das Erleben wird lebendiger.

Hanel: Es ist nicht egal, womit ich haptisch in Verbindung komme. Granit ist ein Urgestein, das eine besondere eigene Qualität hat, genauso wie Sand und Kalk sie haben – alles hat Wirkung und Ausstrahlung auf das Kind. Glas und Edelstahl unterliegen ästhetischen Gesichtspunkten und zielen auf visuelle Sinneseindrücke ab. Bei Edelstahl geht es natürlich auch um pragmatische Überlegungen. Wobei Kukuk hier einen Wandel vollzieht: Wir haben Spielskulpturen aus Edelstahl entwickelt, bei denen der Stahl zum Gestaltungsmittel, zum Accessoire, wird. Mein Wunsch für die Zukunft ist, beim Plastik auf Recycling
zu setzen.

Interview: Annika Wieland

Info: Kukuk

Allen Plätzen des Spielgeräteherstellers Kukuk mit Sitz in Esslingen ist gemein, dass sie Sinne anregen und Beweglichkeit sowie Motorik schulen. Die individuellen Bedürfnisse der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen sowie die Gegebenheiten vor Ort werden berücksichtigt. Der Einsatz von Naturmaterialien und der Gebrauch heimischer Pflanzen unterstützen das. Pädagogische Aspekte sind Teil der Planung der Geräte und Anlagen.