Wie bleibt der Arzt auf dem Land?

Teamarbeit im Gesundheitszentrum statt Einzelkämpferdasein als niedergelassener Landarzt: Innovative Modelle können im ländlichen Raum zur Sicherung der Gesundheitsversorgung beitragen. Denn sie bieten Allgemeinmedizinern Rahmenbedingungen, die das Arbeiten „auf dem Dorf“ attraktiver machen.

 

Hausärzte und Patienten werden immer älter, und die Zahl an Patienten mit komplexem Versorgungsbedarf und erhöhtem Versorgungsaufwand steigt. Demgegenüber wünscht sich der ärztliche Nachwuchs eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis statt der Niederlassung in eigener Praxis, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch feste Arbeitszeiten und flexible Arbeitszeitmodelle, Teamarbeit statt Einzelkämpferdasein sowie weniger administrative Aufgaben und mehr Zeit für die Patientenversorgung. Vor allem der ländliche Bereich scheint diesbezüglich wenig attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten, daher finden immer weniger Landärzte einen Nachfolger.

Objektiv betrachtet gibt es nicht weniger Nachwuchsmediziner, es gibt jedoch eine Vielzahl von Facharztweiterbildungen, mit denen die zum Facharzt für Allgemeinmedizin konkurriert. Nur zehn Prozent aller Absolventen eines Medizinstudiums entscheiden sich für eine Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin und 63 Prozent davon sind Frauen, für die familienfreundliche, geregelte und flexible Arbeitszeitmodelle einen besonders hohen Stellenwert einnehmen.

Innovative Versorgungsmodelle sind gekennzeichnet durch ein multidisziplinäres Team von mehreren Ärzten und Versorgungsassistentinnen sowie Angehörigen weiterer Gesundheitsberufe. Ein solches Team kann insbesondere chronisch kranke Patienten umfassend versorgen, zudem sind gegenseitige Vertretungen, geregelte Arbeitszeiten, Teilzeitarbeitsmodelle und eine Angestelltentätigkeit möglich. Daher erscheinen derartige Modelle besonders geeignet, um im ländlichen Raum Arbeitsbedingungen nach den Wünschen des Ärztenachwuchses zu schaffen.

In seinem Sondergutachten 2014 stellte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) ein umfassendes Modell für eine regional vernetzte Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum vor. Als Kernelement und Basis für die Versorgung beinhaltet es ein lokales Gesundheitszentrum für Primär- und Langzeitversorgung. In diesem Zentrum arbeitet ein multiprofessionelles Team von unterschiedlichen Gesundheitsberufen zusammen, dem sowohl Hausärzte als auch Therapeuten (Physio-, Ergo-, Psychotherapie), Angehörige von Pflegeberufen und Sozialarbeit angehören.

Weitere lokale professionelle und ehrenamtliche Angebote in den Bereichen Gesundheit (Gesundheitsnetze, z. B. für Demenzerkrankungen, Diabetes, Palliativmedizin), Prävention und Gesundheitsförderung, Wohnen im Alter, häusliche Versorgung älterer Menschen, aber auch Mobilitätsangebote (Bürgerbusse, Mobile Gesundheitsdienste) können an das Zentrum angeschlossen und von hier aus organisiert werden. Dabei betrachtet das Zentrum die gesamte von ihm versorgte Bevölkerung und bietet zielgruppenspezifische Behandlungs- und Präventionsangebote für verschiedene Gruppen an.

Handlungsfelder für Kommunen

Welche Möglichkeiten haben Kommunen, zur Sicherung der Gesundheitsversorgung in ihrer Region beizutragen? Hier ergeben sich vor allem vier Handlungsfelder: Aufbau von Organisations- und Kooperationsstrukturen der lokalen Akteure, Strategien zur Sicherung der medizinischen Versorgung, Sicherung der Mobilität der älteren Bevölkerung sowie Nachwuchsförderung.

Aufbau von Strukturen

Für eine bevölkerungsbezogene Betrachtung und Planung der Versorgung wie sie im Modell des SVR vorgeschlagen wird, ist die Auswertung regionaler Versorgungsdaten notwendig. Um auf Basis solcher Datenauswertungen Projekte zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu konzipieren, zu initiieren und in einem lokalen Gesundheitszentrum umzusetzen, sollte eine Organisations- und Kooperationsstruktur auf regionaler Ebene geschaffen werden. Hier können Kommunen beispielsweise eine lokale Gesundheitskonferenz oder einen „Runden Tisch“ mit den Gesundheitsakteuren organisieren und moderieren, um eine Plattform für die gemeinsame Entwicklung solcher Projekte zu schaffen.

Strategien zur Versorgungssicherung

Hier sollten in Kooperation mit der lokalen Ärzteschaft attraktive Tätigkeitsmodelle für den Nachwuchs geschaffen werden, dies insbesondere mit der Möglichkeit, angestellt und in Teilzeit arbeiten zu können.

Obwohl der Sicherstellungsauftrag für die ambulante ärztliche Versorgung bei den Kassenärztlichen Vereinigungen liegt, können Kommunen auch selbst zur Sicherung der Gesundheitsversorgung in ihrer Region beitragen. Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz 2013 hat der Gesetzgeber Kommunen ermöglicht, Medizinische Versorgungszentren als Eigeneinrichtung zu betreiben und selbst Ärzte anzustellen.

Die Delegation von Versorgungsaufgaben und Hausbesuchen an speziell fortgebildete medizinische Fachangestellte und Pflegekräfte können Hausärzte zum Beispiel bei der Versorgung chronisch Kranker und älterer Patienten erheblich entlasten. Erfolgreiche Beispiele für Gesundheitszentren und Delegationsmodelle finden sich unter www.innovative-gesundheitsmodelle.de/Modelle.

Mobilität

Insbesondere im ländlichen Raum mit häufig schlechter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr kann die Einrichtung von Bürgerbus-Angeboten durch die Kommunen die Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen für ältere Menschen verbessern. So fördert das Land Rheinland-Pfalz beispielsweise ehrenamtliche Bürgerbusprojekte, die inzwischen in 31 Orts- und Verbandsgemeinden gegründet wurden.

Nachwuchsförderung

Um ärztlichen Nachwuchs für die Region zu gewinnen, können Kommunen beispielsweise frühzeitig Schulabgänger identifizieren, die ein Medizinstudium aufnehmen wollen und Stipendien für Medizinstudenten anbieten, die sich im Gegenzug für eine spätere Tätigkeit in der Region verpflichten. In Kooperation mit der Ärzteschaft können Hospitationen und Famulaturen in Landarztpraxen angeboten werden, zudem besteht im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Kliniken, Ärzten, Kassenärztlichen Vereinigungen und gegebenenfalls Instituten für Allgemeinmedizin der Universitäten die Möglichkeit, Weiterbildungsverbünde zu gründen, die angehenden Allgemeinmedizinern einen nahtlosen Übergang zwischen den vorgeschriebenen Weiterbildungsabschnitten in Klinik und Praxis ermöglichen.

Auch eine kommunale finanzielle Förderung der Niederlassung und der Eröffnung von Zweigpraxen oder eine Übernahme der anfänglichen Kinderbetreuungs- und Umzugskosten ist möglich. Verschiedene Informations- und Werbemaßnahmen auf Internetplattformen und bei Facebook, die Organisation von Landarzttagen, Angebote in Praxisbörsen von Kassenärztlichen Vereinigungen tragen dazu bei, die Angebote der Region bekannt zu machen.

Antje Erler

Die Autorin
Dr. Antje Erler ist Leiterin des Arbeitsbereichs Innovative Versorgungsformen und Gesundheitssystemforschung am Institut für Allgemeinmedizin der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main