Was andere Länder besser machen

Die Ziele der Bundesregierung im Breitbandausbau sind wenig ambitioniert. Das zeigt ein aktueller Ländervergleich. Der Blick in die führenden Breitband­nationen wie Schweden oder Schweiz lässt erkennen, dass das Engagement der Stadtwerke ein klarer Erfolgsfaktor beim Glasfaserausbau ist.

Beim Ausbau schneller Internetanschlüsse auf der Basis von Glasfaserleitungen hinkt Deutschland im internationalen Vergleich deutlich hinterher. In anderen Ländern treibt die Politik den Ausbau von Glasfasernetzen stärker voran. Dort sind es oft die Kommunen beziehungsweise die kommunalen Unternehmen, die ihren Versorgungsauftrag auf leistungsfähige Internetverbindungen ausgeweitet haben und so für eine neue Dynamik beim Ausbau sorgen.

Zwar hat sich die Versorgung mit Breitbandanschlüssen mittlerer Kapazität (bis ca. 30 Mbit/s) in den vergangenen Jahren in Deutschland deutlich verbessert. Trotz mancher Lücken kann inzwischen von einer zufriedenstellenden Grundversorgung mit Breitbandinternet gesprochen werden. Aber die Entwicklung geht weiter: Die Anforderungen an die Übertragungsgeschwindigkeiten steigen durch die digitale Mediennutzung, und auch die Unternehmen fordern zunehmend „industriefähige“ Internetanschlüsse. Langfristig sind solche Anforderungen nicht mehr mit den vorhandenen Kupferkabeln zu erfüllen, Glasfaserleitungen werden diese ersetzen.

Auf dem Weg in die Glasfaserzukunft sind andere Länder schon weiter. Deutschland hat einen akuten Nachholbedarf, was die Modernisierung seiner Internet­infrastrukturen angeht. Die Frage ist, was die führenden Länder in Europa anders machen und welche Strategien man hierzulande übernehmen könnte. Hierzu hat das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung eine Länderanalyse erstellt. Die Studie „Ausbaustrategien für Breitbandnetze in Europa“ stellt zwei Strategien in den Vordergrund:

Formulierung ambitionierter Ziele

In allen ausgewählten Ländern existieren Breitbandpläne der Regierungen, in denen Ausbauziele formuliert werden. Im Vergleich zeigt sich, dass das Ziel der Bundesregierung, bis Ende 2018 flächendeckend 50 Mbit/s-Anschlüsse zur Verfügung zu stellen, das am wenigsten ambitionierte Ziel ist. In Schweden sollen 90 Prozent der Einwohner bis 2020 mit 100 Mbit/s versorgt sein, in der Schweiz werden gar 100 Prozent angepeilt.

Die Festlegung auf eine höhere Zielmarke ist in Deutschland nicht ohne Brisanz, denn mit dem derzeit vor allem von der Deutschen Telekom verfolgten Ausbau auf der Basis von VDSL-Vectoring, bei dem nur Teilstücke der Internetanbindung mit Glasfaser aufgerüstet werden, lassen sich keine 100 Mbit/s erreichen. Ein Strategiewechsel beim größten Breitbandunternehmen Deutschlands müsste die Konsequenz eines ehrgeizigeren Ziels der Bundesregierung sein.

Hinweise darauf, dass sich nach der Bundestagswahl im September 2017 bei der Breitbandpolitik etwas bewegen könnte, gibt es bereits. So hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, das den Breitbandausbau koordiniert, im Rahmen der „Netzallianz digitales Deutschland“ angekündigt, nach dem Jahr 2018 die Ziele höher setzen zu wollen. Und auch das Bundeswirtschaftministerium, das sich ebenfalls mit dem Breitbandthema befasst, schlägt in seiner „Digitalen Strategie 2025“ eine stärkere Fokussierung auf Glasfaser vor.

Stärkung kommunaler Aktivitäten

In den Länderstudien zeigte sich das Engagement der Stadtwerke als klarer Erfolgsfaktor beim Glasfaserausbau. In der Schweiz und in Schweden, aber auch in Estland sind die kommunalen Versorger zentrale Akteure beim Ausbau von Glasfaserinfrastrukturen. In Spanien sind es die Kommunen selbst, die den Ausbau in den ländlichen Regionen vorantreiben.

Oftmals werden die kommunalen Netze nach dem Open-Access-Modell ausgebaut. Dabei verlegt die Kommune das Netz und verpachtet dann die Leitungen an private Diensteanbieter (insbesondere Internet, Telefonie, TV). Dieses Modell gibt es auch in Deutschland, vor allem in ländlichen Regionen, aber es wird noch zu wenig genutzt. Hier fehlt es zum Teil an spezifischen Informationen und Best-Practice-Darstellungen für ländliche Kommunen.

Eine weitere Möglichkeit für ländliche Kommunen besteht darin, von sich aus auf kommerzielle Netzbetreiber zuzugehen, diesen die Errichtung lokaler Glasfaseranschlusspunkte zu erleichtern und sie bei Verwaltungs- und baurechtlichen Fragen sowie der Bündelung der Nachfrage zu unterstützen.

Die Länderanalysen haben gezeigt, dass es ein breites Spektrum an möglichen Maßnahmen für Kommunen gibt, die Versorgung zu verbessern. Entscheidend ist, dass sich die lokalen Akteure, meistens die Bürgermeister, aktiv des Themas Glasfaser annehmen.

Ein wichtiger Befund aus den Länderanalysen ist, dass es in den erfolgreichen Ländern gelungen ist, das Prinzip der Daseinsvorsorge auf den Bereich der Breitbandversorgung zu übertragen. Dies bedeutet nicht, dass das Wettbewerbsprinzip abgeschafft wurde. Tatsächlich wurde marktwirtschaftlicher Wettbewerb oftmals erst durch kommunale Ausbauaktivitäten ausgelöst. Außerdem besteht auch in Open-Access-Netzen weiterhin Wettbewerb auf der Diensteebene.

Kommunale Akteure können längerfristig planen. Während Telekommunikations- und Kabel-TV-Unternehmen ihre Investitionsentscheidungen relativ kurzfristig planen und vor ihren Stakeholdern rechtfertigen müssen, sind die Kommunen allen ihren Bürgerinnen und Bürgern Rechenschaft schuldig: Und diese wird sich in Zukunft auch in Deutschland immer stärker auf die Verfügbarkeit von Anschlüssen an die digitale Welt von heute und morgen beziehen.
Bernd Beckert

Der Autor
Dr. Bernd Beckert ist stellvertretender Leiter Competence Center Neue Technologien am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe.

Info: Die Studie „Ausbaustrategien für Breitbandnetze in Europa“ kann als kostenloses PDF auf der Website der Bertelsmann-Stiftung heruntergeladen werden: Suche „Breitbandnetze“