Start-ups vermitteln das Kreditgeschäft

Die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken hat den Finanzmarkt auf den Kopf gestellt. Die neuen Verhältnisse zeigen Auswirkungen auch auf die Kommunen. Eine mögliche Lösung könnte die Digitalisierung bringen. Derzeit formieren
sich die Anbieter von Online-Kreditplattformen für Städte und Gemeinden.

Nach US-amerikanischem Vorbild fluten die Zentralbanken die Märkte mit Liquidität und halten die Leitzinsen auf historischen Niedrigst-Ständen. Die Idee des Negativzinses, vor einigen Jahren noch als irrwitzige Idee profilierungssüchtiger Ökonomen abgetan, ist mittlerweile zur Normalität geworden und die neue Realität, an die sich alle Marktteilnehmer anpassen müssen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat jüngst erneut den Leitzins bei minus 0,4 Prozent belassen, was auf ein noch längerfristiges Anhalten der derzeitigen Zinslage hindeutet.

Für die Banken wird das Geschäft zunehmend schwieriger unter diesen Zinsbedingungen. Nicht nur bricht den Finanzinstituten mit dem Zins ihr „bedingungsloses Grundeinkommen“ weg, obendrein steigen die Kosten und Ausgaben erheblich. Im Nachspiel der Finanzkrise 2008/2009 haben die Regulierungsbehörden den Banken ein Regelungspaket auferlegt, was sie zwingt, ganz neue Abteilungen für Compliance und Reporting an die Behörden aufzubauen, um Risiken aus dem Finanzsystem zu verringern.

Neue Situation für Guthaben

Gleichzeitig kostet die Aufnahme von Guthaben die Banken massiv Geld. Sie müssen ihre Gelder zu minus 0,4 Prozent bei der Zentralbank hinterlegen. Bislang trauen sich erst Sparkassen und Genossenschaftsbanken, diese Negativverzinsung über das „Verwahrentgelt“ oder andere Euphemismen an die Kunden weiterzugeben. Aber der Sparzwang besteht, sodass die privaten Banken nun zum Beispiel die freiwillige Einlagensicherung für kommunale Guthaben gekündigt haben ab dem 1. Oktober 2017.

Die etwas sperrige Begründung ist, dass Kämmerer genug Expertise aufweisen würden, um die Risikosituation der kontoführenden Bank einzuschätzen und daher nicht schutzbedürftig seien. Ohne irgendeinem Kämmerer Fachkenntnisse absprechen zu wollen, erscheint die Annahme, dass der normale öffentliche Finanzverwalter die Geschäftsrisiken einer international agierenden Großbank aus der Bilanz lesen und einschätzen kann, doch etwas konstruiert. Kommunale Guthaben sind also auf einmal möglichen Strafzinsen unterworfen und unterliegen dem Ausfallrisiko der kontoführenden Bank – zwei Risiken denen es zu begegnen gilt.

Die Kämmerei muss ihre Guthaben nun aufteilen, unter Schwellenwerten halten und ihr Liquiditätsportfolio managen. Je nachdem wo der Schwellenwert liegt, müssen Guthaben ab zwei Millionen Euro oder bereits ab 250 000 Euro aufgeteilt und hin und her gebucht werden, um Strafzinsen und Ausfallrisiko zu vermeiden. Manche Sparkassen haben schon verlautbaren lassen, dass sie mit dem Wegfall der privaten freiwilligen Einlagensicherung einen Ansturm an kommunalen Guthaben erwarten und diesen möglicherweise sogar noch mit höheren Strafzinsen als „Abwehrzins“ abhalten müssen.

Neue Situation für Kreditsuche

Die als Anreiz zur Kreditvergabe gedachte Liquiditätsschwemme verursacht in Kombination mit dem Niedrigzins und den erhöhten Kosten für die Banken nun den unerfreulichen Effekt, dass Banken sich auf Geschäfte fokussieren müssen, die ihnen höhere Erträge bringen. Mehr Marge ist im Finanzwesen aber immer auch mit höherem Risiko verbunden, sodass die Marktsituation die Banken ungewollt in riskantere Geschäfte treibt. Niedrigmargige Geschäftsfelder wie die Kommunalfinanzierung, risiko- und eigenkapitalneutral, fallen dann aus dem Fokus.

Nach einer aktuellen Umfrage der Zeitschrift „Der neue Kämmerer“ verzeichnen schon ein bedeutender Teil der deutschen Kämmerer einen deutlichen Rückgang bei Kreditangeboten auf Anfragen, ein beachtlicher Teil bekommt nicht einmal mehr drei Angebote zusammen. Die Marktsituation zwingt die Banken zudem zum Filialabbau, was das traditionell regional geprägte Kommunalgeschäft zu einem immer schwereren Vertriebsfall macht.

Klassische kommunalfinanzierende Banken fallen aus dem Geschäft. Die Dexia-Bank, spezialisierte Kommunalbank, wird derzeit abgewickelt, und diverse Hypothekenbanken, etwa die Münchener Hyp, schon immer kommunal stark vertreten, nehmen derzeit kein Neugeschäft im kommunalen Bereich mehr auf.

Die kommunale Nachfrage aber bleibt bestehen. Die Neuverschuldung steigt jährlich mit etwa einem Prozent. Das Angebot dagegen bricht weg. Nach den Marktgesetzen muss sich, wo Nachfrage ist, auch ein Angebot bilden oder der Preis anpassen. Diese Umwälzung gilt es abzuwarten oder neue Wege zu gehen.

Es ist nicht so, dass es keine Anleger gibt, die Kommunen finanzieren würden. Versicherungen, Pensionskassen, Rentenfonds, Stiftungen und jede andere Art von Langfrist-Anlegern mit hohen Sicherheitsansprüchen sind nach wie vor auf der Suche nach Kommunalfinanzierungen. Diese haben schon immer von den Geschäftsbanken als Intermediäre die Finanzierungen gekauft und ihr Anlagekapital investiert.

Zudem sind Banken aus vor allem den Niederlanden und Österreich zunehmend aktiv bei deutschen Kommunen. Deutsche Städte und Gemeinden weisen eine Bonität vergleichbar der Bundesrepublik auf, bringen jedoch höhere Erträge. Diese neuen Anleger müssen nur mit der Nachfrage von kommunaler Seite zusammengebracht werden.

Digitale Plattformen

Das Schlagwort der Digitalisierung ist in aller Munde. Kommunen erhalten Preise und Auszeichnungen für moderne und digitale Verwaltung, allerorts ist die Rede von der Kommune 2.0, der digitalen Kommune und dem digitalen Staat. Zahlreiche Anbieter haben den bislang fast unbeleckten kommunalen Markt entdeckt und etablieren sich in der gigantischen, öffentlichen „Nische“.

Seit Neuestem ist auch die Fintech- und Start-up-Welt auf die kommunalen Finanzmärkte aufmerksam geworden. Die Innovationen könnten genau zur richtigen Zeit kommen. Derzeit sind gleich drei junge Unternehmen (Commnex, Firstwire und Loanboox) bestrebt, den kommunalen Finanzmarkt zu erobern und sich als digitale Vermittler zwischen Banken und Kommunen aufzustellen. Verbraucher und Unternehmen nutzen seit Längerem selbstverständlich Online-Kreditvergleiche und -Kreditvermittlungen, um sich die besten Konditionen zu sichern. Die Start-ups wollen dieses Prinzip auf die öffentliche Hand übertragen und die Vorteile auch den Kommunen eröffnen.

Risiken und Grenzen

Ein großes Thema bei derartigen Projekten und Angeboten ist natürlich die Datensicherheit und der Datenschutz. Empfindliche Finanzinformationen sind heikle Daten, die nicht in falsche Hände oder die Öffentlichkeit gehören. Die Kommune als öffentliche Körperschaft muss genau darauf achten, welche Informationen öffentlich gemacht werden können und was vertraulich und gesichert verarbeitet werden muss. Zwar ist die Kommune als öffentliche Körperschaft zur Bekanntgabe beispielsweise ihrer Organe, Haushalte und Finanzabschlüsse verpflichtet, doch die Konditionen ihrer Finanzierungen und etwa die Namen und Rufnummern der Sachbearbeiter sind vertraulich, privat und schutzbedürftig.

Der Anbieter der Online-Plattform muss entsprechenden Datenschutz gewährleisten und nachvollziehbar machen, was mit eingegebenen Daten geschieht und wie diese verarbeitet oder gar weitergegeben werden. Ein Blick in die AGB, insbesondere Datenschutzvereinbarungen und Datenverarbeitungshinweise geben da eine erste Auskunft. Vor allem hinsichtlich Weitergabe und Verarbeitung lohnt sich da oft ein genauer Blick. Unternehmen sind verpflichtet über die Verarbeitung von Daten Auskunft zu geben und eine gezielte Nachfrage bringt oft schnelle Informationen. Auch der Speicherort der Daten ist wichtig und sollte gegebenenfalls nachgefragt werden. Grundsätzlich gilt, Speicherung innerhalb der EU sollte akzeptabel sein, da die EU vergleichbaren Datenschutzstandards unterliegt. Speicherung und Verarbeitung auf deutschen Servern bietet die beste Sicherheit.

Weiter gibt es ein technisches Detail, auf das auch der Laie achten kann und sollte. Die Internetseiten sollten über sichere SSL-Verbindungen laufen. SSL ist der Verschlüsselungsstandard, den etwa auch Banken für ihre Übertragungen nutzen und bietet ausreichenden Schutz vor unbefugter Einsichtnahme. Eine SSL-Seite ist an der URL, also der Seitenadresse zu erkennen. Beginnt diese mit „https“ statt „http“ ist man sprichwörtlich „auf der sicheren Seite“. Das zusätzliche „s“ kann man sich als Eselbrücke für „sicher“ oder „safe“ merken. Sichere Verbindungen erkennt man je nach Browser auch an Symbolen wie einem kleinen Vorhängeschloss in der Adresszeile.

Der Plattformgedanke ist vor allem für die öffentliche Finanzverwaltung einleuchtend, da diese, gemäß vergaberechtlichen Vorgaben, ohnehin mindestens drei Angebote einholen sollen. Zudem unterliegen Kommunen dem staatlichen Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Insofern ist das Einholen möglichst vieler Angebote, auch überregional und von neuen Banken oder anderen Kreditgebern, sinnvoll. Wer sagt denn, dass nicht im übernächsten Bundesland eine kleine Lokalbank ein viel besseres Angebot macht als die örtliche Sparkasse?

Friedrich von Jagow

Der Autor
Friedrich von Jagow ist Geschäftsführer der den kommunalen Finanzmarkt fokussierenden Kreditvermittlungsplattform Commnex in München