Risiko für urbane Gehölze

Der Klimawandel bedeutet für Stadtbäume Stress, der ihre Vitalität beeinträchtigt. Wärmere und trockenere Sommer sowie Starkregenereignisse und Überflutungen erhöhen die Anfälligkeit der Gehölze. Neue Schädlinge sollten noch vor einer weiteren Ausbreitung eliminiert oder eingegrenzt werden.

 

Grünanlagen und hierunter vor allem Gehölzbestände erfüllen in städtischen Arealen zahlreiche wichtige Funktionen, die durch den Menschen auch zunehmend wertgeschätzt werden. Dazu zählt zwar nicht unbedingt die oft vermutete Erhöhung des Luftsauerstoffgehaltes, aber dennoch eine Reihe von Leistungen, die das Wohlbefinden der Stadtbewohner maßgeblich verbessern können. Um nur an einige davon zu erinnern: Gehölze (besonders Bäume) mildern Wetterextreme wie zum Beispiel Frost, Hitze, UV-Strahlung, Starkregen, Hagel oder Wind, spenden Schatten, erhöhen die lokale Luftfeuchtigkeit, bieten Bereiche der Erholung und Entspannung, stellen Lebensräume für andere Pflanzen, Tiere und Pilze zur Verfügung und sind Elemente der räumlichen Strukturgestaltung.

Bedauernswerterweise unterliegen viele Stadtbäume jedoch auch einem permanenten Stress. Sie zeigen nicht selten eine verminderte Vitalität und erreichen häufig nicht ihre natürliche Lebenserwartung. Folgen von Witterungsextremen wie Trockenstress wirken sich in Städten oft gravierender aus, da die Erreichbarkeit von Wasserreserven eingeschränkt ist.

Urbane Gehölze weisen daher oft eine erhöhte Empfänglichkeit auch gegenüber biotischen Schadfaktoren auf. Zu diesen zählen vorrangig verschiedene Insekten und Pilze, ferner auch Nematoden, Bakterien (einschließlich Phytoplasmen) und sich unerwünscht ausbreitende Neophyten (eingewanderte Pflanzen). Viren und Viroide, die im engeren Sinne nicht zu den Organismen gerechnet werden, treten ebenfalls krankheitserregend an Gehölzpflanzen auf.

Sind die Schaderreger zudem gebietsfremd und besitzen invasives Potenzial, kann die Schädigung rasch ein größeres Ausmaß erreichen und mit ökologischen, kulturellen und ökonomischen Folgen verbunden sein. In solchen Fällen kann die Europäische Union einen Quarantänestatus verhängen, der oft mit sogenannten phytosanitären Auflagen, das heißt vorbeugenden und behandelnden Notmaßnahmen, einhergeht.

Ein nach den Erfahrungen der zurückliegenden Jahre zunehmendes Risiko geht insbesondere aus von:

  • gebietsfremden, invasiven Schadorganismen, die vor allem durch den Warenhandel und den Tourismus verschleppt werden und sich (z. T. klimawandelbedingt) bei uns zu etablieren vermögen,

  • gebietsfremden, invasiven Schadorganismen, die in wärmeren Klimazonen verbreitet sind und sich klimawandelbedingt durch natürliche Migration in zuvor unwirtlichere Lebensräume ausbreiten,

  • indigenen, an heimischen Wirten zumeist unauffälligen Organismen, die sich auf eingeführten Wirten (Neophyten) ansiedeln und dort parasitisches Potenzial entfalten.

In Bezug auf invasive Schadorganismen überwiegt gegenwärtig der Einfluss der Globalisierung (Warenhandel, Tourismus) gegenüber dem Einfluss des Klimawandels. Tatsächlich gehen die meisten neuartigen Probleme vielmehr auf direkte Verschleppung zurück als auf die bisher eingetretene Klimaänderung. Die Besiedlung neuer Territorien aufgrund natürlicher Wanderung findet in der Regel in längeren Zeiträumen statt und ist derzeit eher nachgeordnet.

Neben dem stetig wachsenden Problem der Verschleppung kommt aber auch den sich klimabedingt einstellenden Gleichgewichtsstörungen in zuvor weitgehend ausgewogenen Wirt-Parasit-Beziehungen Bedeutung zu. Dieses Problemfeld wird vielfach unterschätzt, da es sich bei den Schaderregern um entweder heimische oder mindestens seit Langem etablierte Organismen handelt, die in Koevolution mit ihren Wirten oft einen Balancezustand erreichen. Das Potenzial dieser „Schwächeparasiten“ ergibt sich aus einer mangelnden Anpassungsfähigkeit der Wirte gegenüber den sich ändernden Klimabedingungen, vor allem Witterungsextremen oder besonderen Witterungskonstellationen.

Verschleppung und Klimawandel

In Bezug auf invasive Schadorganismen überwiegt gegenwärtig der Einfluss der Globalisierung (Warenhandel, Tourismus) gegenüber dem Einfluss des Klimawandels. Tatsächlich gehen die meisten neuartigen Probleme vielmehr auf direkte Verschleppung zurück als auf die bisher eingetretene Klimaänderung. Die Besiedlung neuer Territorien aufgrund natürlicher Wanderung findet in der Regel in längeren Zeiträumen statt und ist derzeit eher nachgeordnet.

Neben dem stetig wachsenden Problem der Verschleppung kommt aber auch den sich klimabedingt einstellenden Gleichgewichtsstörungen in zuvor weitgehend ausgewogenen Wirt-Parasit-Beziehungen Bedeutung zu. Dieses Problemfeld wird vielfach unterschätzt, da es sich bei den Schaderregern um Organismen handelt, die in Koevolution mit ihren Wirten oft einen Balancezustand erreichen. Das Potenzial dieser „Schwächeparasiten“ ergibt sich aus einer mangelnden Anpassungsfähigkeit der Wirte gegenüber den sich ändernden Klimabedingungen, vor allem Witterungsextremen oder besonderen Witterungskonstellationen.

Beispiel Verschleppung: Asiatischer Laubholzbockkäfer

Ein Beispiel für eine invasive Käferart mit Quarantänestatus, die – völlig unabhängig von Effekten des Klimawandels – seit Anfang dieses Jahrhunderts in Deutschland und weiteren europäischen Ländern Bedeutung erlangt, ist der Asiatische Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis) – s. Abb. in der Bildergalerie am Ende des Artikels. Dieser gehört einer Gattung holzbrütender Primärparasiten (Gegensatz zu heimischen Bockkäferarten) mit sehr breitem Wirtsspektrum an, die im asiatischen Raum mit über 30 Arten beheimatet ist.

In Mitteleuropa wird eine breite Palette unterschiedlicher Laubbaumarten befallen, vor allem Pappel-, Ahorn-, Weiden-, Birken- und Ulmenarten sowie Rosskastanien. Durch den Larvenfraß entstehen im Stamm- und Astholz lebender Bäume ausgedehnte Bohrgänge, die zunächst die Verkehrssicherheit, später auch die Vitalität deutlich beeinträchtigen.

Die mit bis vier Zentimeter Körperlänge relativ großen Vollkerfe weisen auf dunklem Untergrund zahlreiche, über den Körper verteilte Flecken von heller Farbe sowie auffällig lange, hellgeringelte Fühler auf. Eine Verwechslungsgefahr mit heimischen Insekten ist bei genauerer Betrachtung – abgesehen von den Larven – kaum gegeben. Für die Diagnose ebenfalls wichtig sind die in der Rinde kreisrund erscheinenden und im Durchmesser bis zu 1,5 Zentimeter großen Ausfluglöcher der Käfer sowie die im Holz bis zu drei Zentimeter breiten, ovalen Fraßgänge der Larven.

Als Hauptquelle der Einschleppung haben sich Verpackungs- und Stapelhölzer in Paletten asiatischer Granitlieferungen erwiesen. In Deutschland sind inzwischen mehrere Einschleppungsfälle und Freilandausbrüche vor allem in der Nähe von Umschlagplätzen der Binnenschiffart bestätigt worden. Wird ein Befall nachgewiesen, besteht nach einem erst 2015 veröffentlichten EU-Durchführungsbeschluss die Auflage, alle spezifizierten Wirtsbäume in einem 100-Meter-Radius um den festgestellten Befallspunkt zu beseitigen und eine 2000 Meter darüber hinaus reichende Quarantänezone für ein mindestens vierjähriges, intensives Monitoring zu installieren.

In Deutschland mussten bislang acht solcher Quarantänegebiete in Bayern (seit 2004), Nordrhein-Westfahlen (seit 2005), Baden-Württemberg (seit 2012) und Sachsen-Anhalt (seit 2014) eingerichtet werden, von denen erst ein Gebiet nach elfjährigen Monitoring- und Eradikationsmaßnahmen (Ausrottung) aufgelöst werden konnte.

Beispiel klimawandelinduzierte Migration: Pinienprozessionsspinner

Das natürliche Verbreitungsgebiet des wärmeliebenden (thermophilen) Pinienprozessionsspinners (Thaumetopoea pityocampa) – s. Abb. unten – erstreckt sich von Nordafrika bis in den südeuropäischen Raum (Mittelmeergebiet). Dort zählt er zu den wichtigsten Schädlingen an Kiefern, insbesondere an der Schwarz-Kiefer. Daneben werden aber auch Zedern sowie gelegentlich Douglasien und noch andere Nadelbaumarten befallen. Der Pinienprozessionsspinner stellt – ähnlich wie der mit ihm eng verwandte und bei uns heimische Eichenprozessionsspinner (T. processionea) – ein Risiko nicht nur für die Wirtsbäume, sondern auch für die menschliche Gesundheit dar.

An den Bäumen führt der Nadelfraß der Raupen neben Zuwachseinbußen auch zu einem allgemeinen Vitalitätsverlust von wirtschaftlicher Tragweite. Die Gesundheit des Menschen wird mittelbar durch die von den Larven gebildeten Brennhaare beeinträchtigt. Das darin enthaltene Nesselgift kann Hautreaktionen (Raupendermatitis) und Entzündungen der Atemwege hervorrufen.

In den zurückliegenden Jahrzehnten hat sich der Pinienprozessionsspinner deutlich über die nördliche Grenze seines bisherigen Areals ausgebreitet, wofür die Klimaerwärmung als wesentliche Ursache angenommen wird. Diese Ausweitung wurde in der Vergangenheit in verschiedenen Ländern des Mittelmeerraumes beobachtet. In Frankreich wurde eine nördliche Expansion im südlichen Teil des Pariser Beckens erstmals in den 1990er-Jahren bemerkt. Zwischen 1972 und 2004 hat sich der Falter um 87 Kilometer nordwärts und zwischen 1975 und 2004 um 110 bis 230 Höhenmeter aufwärts bewegt.

Im Jahr 2007 erreichte der Schmetterling das dem Bundesland Baden-Württemberg benachbarte Elsaß-Lothringen. Dieser im Gebiet von Obernai befindliche Befallsherd liegt nur wenige Kilometer von der südwestdeutschen Grenze entfernt und weist ähnliche klimatische Bedingungen wie die ostrheinische Tiefebene auf. Wenngleich der Pinienprozessionsspinner noch nicht in Deutschland vorkommt, besteht für die Zukunft eine hohe Gefahr für dessen weitere Ausbreitung oder Einschleppung und nachfolgende Etablierung bei uns.

Beispiel Wirt-Parasit-Ungleichgewich: Rußrindenkrankheit des Ahorns

Die Rußrindenkrankheit – s. Abb. unten – war bis vor einigen Jahren in Deutschland noch völlig unbekannt. Erreger dieser Baumerkrankung ist der bislang nur in seiner vegetativen Verbreitungsform bekannte Pilz Cryptostroma corticale, der in Deutschland erstmals im Jahr 2006 im Zusammenhang mit vitalitätsgeschwächten und absterbenden Ahorn-Bäumen in der wärmebegünstigten Rheinebene nachgewiesen wurde. In England ist die Erkrankung bereits seit 1949 unter dem Namen „Sooty bark disease“ bekannt. In Österreich, Frankreich und der Schweiz wird die Rußrindenkrankheit ebenfalls seit einigen Jahren vermehrt diagnostiziert.

Betroffen sind vor allem verschiedene Ahorn-Arten, darunter insbesondere der Berg-Ahorn, ferner auch der Spitz- und der Silber-Ahorn.

Der Pilz gilt grundsätzlich als weit verbreiteter Endophyt (= lebt in anderen Pflanzen) und Saprobiont (Fäulnisbewohner). Zu einem Krankheitsausbruch kommt es offenbar nur in Folge sehr trockener und heißer Sommerperioden, wie zum Beispiel in den Jahren 2003 und 2006. Im Anfangsstadium der Erkrankung kommt es zunächst zu Rinden- und Kambiumnekrosen sowie Schleimflussflecken im Stammbereich. Noch im Spätsommer desselben Jahres können Welke- und partielle Absterbeerscheinungen in der Krone beobachtet werden.

Einige Monate nach dem Tod des Baumes reißt die Rinde vielerorts auf, wobei sich auch ganze Rindenpartien lösen oder abgesprengt werden. Dabei treten die oft massenhaft unter der Rinde gebildeten, rußartigen Fruchtlager des Pilzes zu Tage. Freigesetzte Sporen („Konidien“) können beim Einatmen in den Lungenbläschen Entzündungen (Alveolitis) hervorrufen.

Unter Berücksichtigung, dass pro Quadratzentimeter Sporenlager bis zu 170 Millionen Konidien gebildet werden, ergibt sich für den Menschen ein erhebliches krankheitserregendes Potenzial. Typische Beschwerden (v. a. bei Allergikern) sind Reizhusten, Fieber, Abgeschlagenheit, Atemstörungen, Schüttelfrost, Neigung zum Schwitzen und Kopfschmerzen. Wiederholter Kontakt mit dem Sporenstaub kann zu Gewichtsverlust und zu einer Einschränkung der Lungenfunktion führen.

Soweit in der Zukunft häufiger mit trockener und heißer Sommerwitterung zu rechnen ist, könnte auch die Rußrindenkrankheit des Ahorns eine Bedeutungszunahme erfahren, sowohl in pflanzen- als auch humanmedizinischer Hinsicht.

Folgerungen und Ausblick

Gehölze in urbanen Räumen sind zahlreichen und in besonderem Maße auch den durch Klimawandel bedingten Stressoren ausgesetzt, wodurch ihre Vitalität und Überlebensfähigkeit beeinträchtigt ist. Der aktuelle Klimatrend in Mitteleuropa begünstigt eine Reihe von Krankheitserregern und Schädlingen, die zu einem Teil neuartig und invasiv, zu einem anderen Teil aber auch heimisch bzw. bereits länger etabliert sind.

Unter dem Aspekt der Vitalität und Widerstandsfähigkeit von Gehölzen in urbanen Räumen gegenüber Schadorganismen steht sicherlich der Faktor Wasser und Wasserverfügbarkeit im Vordergrund. Wärmere und trockenere Sommer einerseits und Starkregenereignisse sowie Überflutungen andererseits erhöhen die Anfälligkeit der Gehölze.

Ein weiterer Aspekt des Klimawandels ist die Frostgefährdung. Aufgrund des häufigeren Auftretens milder Winter sowie früher einsetzender Vegetationsperioden steigt die Gefahr für Schäden durch winterlichen Frost und Spätfröste, die in der Folge insbesondere Schwächeparasiten und somit Störungen im Wirt-Parasit-Gleichgewicht Vorschub leisten.

Zu einem guten Management bei dem sich in urbanen Arealen breit darstellenden und fortwährend ändernden Gehölzspektrum zählt auch, dass neu auftretende Schadphänomene rasch erkannt und aufgeklärt, Schadorganismen noch vor einer weiteren Ausbreitung eliminiert oder eingegrenzt sowie natürliche Resistenzen erkannt und effektiv eingesetzt werden können.

Jörg Schumacher

Der Autor
Dr. habil. Jörg Schumacher leitet das Fachgebiet für invasive/Quarantäne-Schadorganismen in der Abteilung Waldschutz der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) in Freiburg. Zudem lehrt er als Privatdozent an der Fakultät für Umweltwissenschaften der Technischen Universität Dresden.