Partner ins Boot holen

Der Investitionsrahmen der Kommunen ist speziell in strukturschwachen Regionen stark eingeschränkt. Beim Spagat zwischen Schaffung von Spielräumen und Zukunftsvorsorge zeigt sich, dass es bei der Finanzierung von Investitionen nicht den „klassischen“ Königsweg gibt.

Mit dem Inkrafttreten der Schuldenbremse im Jahr 2020 werden die öffentlichen Haushalte vor großen Herausforderungen stehen. Im Spannungsfeld zwischen politischen Gestaltungsräumen jenseits gesetzlicher Pflichtaufgaben sowie der Vorsorge für künftige Herausforderungen an den Staat (z. B. demografischer Wandel und Flüchtlingsproblematik) müssen sie bereits jetzt Lösungen auf den Weg bringen. Dies gilt auch für Städte und Gemeinden, für die die Schuldenbremse zwar nicht unmittelbar gilt, die aber mittelbar betroffen sind.

Im August 2015 kommt der Kommunale Finanzreport der Bertelsmann-Stiftung zu dem Ergebnis, dass zwar einerseits insgesamt Überschüsse erwirtschaftet wurden und drei Viertel der Kommunen ihre Neuverschuldung im konsumtiven Bereich zurückfahren konnten, andererseits jedoch ein Viertel der Kommunen zur Deckung ihrer Ausgaben im nichtinvestiven Bereich noch immer auf Kredite in erheblichem Umfang angewiesen sind. In besonderem Maße wird dieses Bild durch strukturschwache Regionen in Deutschland bestimmt. In diesen werden Städte und Gemeinden durch hohe Transferleistungen belastet und gezwungen, ihre Investitionen drastisch zu kürzen, um die Pflichtaufgaben der öffentlichen Hand überhaupt noch gewährleisten zu können.

Ansätze zur Lösung

Das Ziel muss sein, die Pflichtaufgaben im kommunalen Bereich weiter erfüllen und gleichzeitig notwendige Investitionen in die Infrastruktur sicherstellen zu können. Nur so kann eine positive wirtschaftliche Entwicklung und damit eine Stärkung der Kommunalfinanzen dank steigender Einnahmen überhaupt nachhaltig ermöglicht werden. Für die Finanzierung öffentlicher Investitionen bestehen grundsätzlich folgende Möglichkeiten:

  • Finanzierung direkt aus dem Haushalt oder (Ko-)Finanzierung mittels Zuschüssen aus Fördermitteln des Bundes und der Länder

  • Finanzierung im Rahmen der Aufgabenerledigung durch öffentliche Unternehmen – diese unterliegen grundsätzlich nicht der Schuldenbremse, die Kreditfähigkeit des Unternehmens und die Refinanzierung, etwa durch Nutzerabgaben, muss aber gewährleistet sein.

  • Finanzierung im Rahmen einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft – diese unterliegt nicht der Schuldenbremse, wenn die Finanzierung durch den privaten Partner bereitgestellt wird.

Die reine Haushaltsfinanzierung wird bei hoch verschuldeten Kommunen künftig immer seltener möglich sein. Die Einnahmen werden zu einem großen Teil durch den Schuldendienst für die in der Vergangenheit aufgenommenen Kredite aufgezehrt. Hinzu kommt das Risiko künftiger Zinssteigerungen.

Eine deutliche Entlastung der Kommunalhaushalte ergibt sich, wenn Anlagen der kommunalen Infrastruktur von einem öffentlichen Unternehmen errichtet werden können. Dies ist beispielsweise bei der Wasserversorgung üblich, wenn ein kommunaler, gegebenenfalls von mehreren Gemeinden getragener Wasserversorger Brunnenanlagen, Wasserwerke und das Rohrleitungsnetz finanziert. Hier ist eine Refinanzierung über den Anschlusskunden möglich. Das öffentliche Unternehmen finanziert seine Investition am Kreditmarkt und kann die Refinanzierung aus den erhobenen Entgelten leisten. Ähnliche Modelle existieren für die Finanzierung der Fahrzeugparks kommunaler Verkehrsbetriebe.

Bei Betrachtung der unterschiedlichen Investitionserfordernisse zeigt sich aber auch, dass nicht alle Projekte durch öffentliche Unternehmen darstellbar sind. Ein neues Gemeinde- oder Schulzentrum oder vergleichbare soziale Infrastruktur sind nicht aus direkt erwirtschafteten Einnahmen refinanzierbar.

Hier könnte es sich lohnen, auch Öffentlich-Private Partnerschaften in Betracht zu ziehen, die die Vorteile des öffentlichen Nutzers oder Aufgabenträgers mit den Gestaltungsmöglichkeiten eines privaten Investors zu beiderseitigem Nutzen zusammenführt. Hierbei finanziert und errichtet der private Investor die öffentliche Infrastruktur aufgrund klar definierter Funktionalitäten, zu einem Festpreis und innerhalb eines vereinbarten Zeitrahmens. Die Refinanzierung erfolgt durch Entgelte des kommunalen Nutzers wie Mieten und Pachten.

Gerade in der aktuellen Situation suchen private Kapitalgeber nach langfristigen, ertragssicheren Investitionsmöglichkeiten. Gelingt es, dieses Kapital für Investitionen im öffentlichen Sektor zu gewinnen, dann profitieren beide Seiten: Die Kommune kann schon jetzt zu langfristig günstigen Konditionen eine Investition starten und sichert sich auch nach Inkrafttreten der Schuldenbremse Handlungsspielräume. Der Private hat eine attraktive, aber vor allem langfristig sichere Anlageform jenseits der starren Staatsanleihe klassischer Form gefunden.

Städte und Gemeinden müssen sich angesichts der Schuldenbremse nicht von ihren Gestaltungsspielräumen abwenden. Überdenken sollten sie die bisher (z. T. auch politisch vorgegebenen) starren Wege der Nur-Haushaltsfinanzierung von erforderlichen Investitionen. Sie sind aufgerufen, alternative Wege vor jeder Investition zu prüfen.

Keiner der drei genannten Wege – weder die klassische Haushaltsfinanzierung und die Beauftragung öffentlicher Unternehmen noch die der Öffentlich-Privaten Partnerschaft – sind jeweils für sich gesehen der „Königsweg“. Der Einzelfall entscheidet stets und verlangt den Kommunen ein höheres Maß an Flexibilität und Bereitschaft zu Neuem ab.

Gelingt es den Kommunen, ihre Infrastrukturfinanzierung im besten kaufmännischen Sinne zu optimieren, das heißt die jährlichen Belastungen zu minimieren, ohne dabei künftigen Generationen ungedeckte Hypotheken aufzubürden, dann gewinnen sie erforderliche Spielräume im konsumtiven Bereich. So können sie sich fit für eine nachhaltige Daseinsvorsorge, bereit für politische Gestaltungsarbeit und attraktiv für die Bürger und damit auch für Unternehmen machen, die nach einem geeigneten Standort suchen.

Mathias Oberndörfer

Der Autor
Mathias Oberndörfer ist Rechtsanwalt, Partner und Bereichsvorstand für den öffentlichen Sektor der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Berlin