Oase in der Stadt

Städtische Gebiete mit Strukturproblemen sind oft auch besonders von Belastungen wie Lärm und Luftverschmutzung betroffen. Das Planungskonzept der Umweltgerechtigkeit will solche Situationen verbessern. In Mainz, Stuttgart und Berlin wurden beachtliche Parkprojekte realisiert.

Die Umwelt zu erhalten und damit mehr Lebensqualität für die Menschen zu erlangen, beginnt auf regionaler oder kommunaler Ebene. Dazu zählt gerade in Städten und Ballungsbieten, allen Einwohnern gleichermaßen Zugang zu Umweltressourcen zu ermöglichen. Studien zufolge gibt es einen Zusammenhang zwischen hoher Umweltbelastung von Wohnquartieren und geringem sozialen Status der Bewohner. Daran schließen sich etwaige Gesundheitsrisiken durch Lärm und Schadstoffe an sowie wenige Spielmöglichkeiten für Kinder.

Die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt Mainz gibt hier ein gutes Beispiel für die Verbesserung der Situation. Das Gebiet Mombach galt lange Zeit als eines der unattraktivsten im gesamten Stadtgebiet. Die Gründe sind das hohe Verkehrsaufkommen und das angrenzende Industriegebiet. Mombach brauchte Hilfe, der Stadtteil im Norden von Mainz hat immerhin 14 000 Bewohner. „Das Quartier ist umgeben von Industrie. Und das sieht man nicht nur, an manchen Tagen riecht man das auch“, erinnert sich Quartiersmanagerin Dagmar Hefner. Damit einhergehend ist die Unterversorgung von Grün- und Spielflächen. Ein Spielplatz, der dieser Entwicklung entgegenwirken sollte, wurde bereits in den 1990er-Jahren mithilfe engagierter Bürger aufgebaut. Als sich EU-Richtlinien änderten, mussten Teile zurückgebaut werden, über die Jahre verwilderte er.

Im Jahr 2007 dann trat die „Soziale Stadt“ auf den Plan, ein Programm der deutschen Städtebauförderung. Im integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept wurde das Spielplatzgelände als wichtige Grün- und Spielfläche ausdrücklich genannt. Vor allem die Soziale Stadt und die Quartiersmanagerin Hefner waren die treibenden Kräfte hinter dem Wiederaufbau, unterstützt durch das Engagement helfender Akteure sowie beteiligter Ämter und der Politik. Doch es zog sich Jahre hin, bis sich etwas bewegte. 2010 wurden die Mittel zur Aufwertung bewilligt. Mit diesen wurde unter anderem eine Frischwasserpumpe finanziert. Aufgrund der Industrie in der Nähe war das Grundwasser jedoch nicht zu nutzen.

Unternehmen engagieren sich

Ein Clou hat dem Projekt weitergeholfen: Eine Firma hat die Wasserkosten von Anfang an übernommen. Ein anderes Unternehmen finanzierte einen Kletterparcours, die katholische Jugend beteiligte sich an den weiteren Baumaßnahmen. Wesentlich unterstützt wurde das Projekt von Revierförster Dorschel, der mit seinen Kollegen mit Rat und Tat zur Seite stand. So entstand ein Abenteuerwald für Erholung, Spiel und Naturerlebnis – eine 130 Hektar große Oase in der Stadt. Die Kosten haben sich auf ungefähr 20 000 Euro belaufen.

Ein zumindest finanziell wesentlich umfangreicheres Projekt im Zeichen der Umweltgerechtigkeit ist in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart umgesetzt worden. Der rund 77 Hektar große Travertinpark im Stadtteil Hallschlag hat insgesamt rund 820 000 Euro gekostet. In Stuttgart gab es die Grünflächen bereits, diese waren jedoch wenig attraktiv. Auf dem Gelände wurde der Kalkstein Travertin abgebaut, sodass man an eine Umgestaltung der Grünflächen zunächst nicht denken konnte. Mit einem Freiraumkonzept im Rahmen der Sozialen Stadt veränderte sich die Situation 2009 allerdings.

Heute ist der Travertinpark ein innerstädtischer Freiraum mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten wie Spielplatz, Rad- und Spazierwegen sowie sehr viel Grün. Und der Kalkstein ist nach wie vor überall gegenwärtig – bewusst. Das Material ist in die gesamte Gestaltung integriert worden, ortstypische Geländeformen oder vereinzelte Maschinenteile säumen das Bild. Im ehemaligen Steinbruch sammelt sich Regenwasser, ein Naturteich soll hier entstehen. Die Verbindung von Natur und Kultur ist in diesem Areal gelungen.

Bessere Luft für alle

Beim Thema Umweltgerechtigkeit schwingt stets das Thema Klima mit, plakativ heruntergebrochen auf die Formel: mehr Grün gleich bessere Luft für alle. In Berlin haben die Bewohner des Brunnenviertels sich diesem Thema angenähert. Sie sind die Schlüsselfiguren dieses Soziale-Stadt-Projekts. Langjährige Erfahrungen im Quartiersmanagementverfahren kamen beim „Kiezklima“ Berlin zum Tragen.

In drei Jahren wurden konkrete Maßnahmen zur Klimaanpassung entwickelt. Darunter waren Schattenplätze im Quartier, nachbarschaftliche Hitzewarnung, bauliche Maßnahmen an Gebäuden sowie natürlich Begrünung. Bei der Umsetzung half den Protagonisten die gute Vernetzung zwischen Bewohnerschaft, Schulen, Kitas, nachbarschaftliche Einrichtungen sowie die Wohnungsbaugesellschaft Degewo.

Die Kosten für das gesamte Konzept belaufen sich auf ungefähr 300 000 Euro, die sich auf die deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel und das Wohnbauunternehmen, das mit eigenen Mitteln aktiv wurde, verteilen. Personelle Ressourcen wurden aus dem Rahmen Soziale Stadt zur Verfügung gestellt.

Das Projekt soll vorerst bis 2017 laufen und sich über die Brunnenstraße hinaus entwickeln. Es soll herausgefunden werden, welche Maßnahmen zur weiteren Verbesserung des Lokalklimas ergriffen werden könnten. Die Erkenntnisse sind durchaus auf andere Quartiere anwendbar.

Timo Lämmerhirt

Der Autor
Timo Lämmerhirt, Waldstetten, ist Redakteur bei der „Schwäbischen Zeitung“ sowie Autor für verschiedene Medien