Nüchterne Betrachtung

Bei einem anstehenden Ersatz für veraltete Straßenleuchten kommen immer häufiger LED-Leuchtmittel zum Einsatz. Eine mögliche Variante hierbei ist LED-Retrofit. Diese Technologie ist eine gute Alternative zu der wesentlich teureren Umrüstung auf komplett neue Leuchten.

Viele Städte, Kommunen und die Industrie stehen vor der Herausforderung, dass ihre alten Quecksilberdampflampen, die in der Straßen- und Platzbeleuchtung im Einsatz sind, seit dem Jahr 2015 aufgrund der ErP-Richtlinie ausgephast und nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Die Alternative, die sich immer mehr durchsetzt, ist wegen ihrer hohen Effizienz und Langlebigkeit die LED-Technologie. Die Entscheider können die für sie optimale Lösung aus einer großen Vielfalt an kompletten LED-Leuchten, Umbausätzen oder auch LED-Retrofit-Leuchtmitteln aussuchen.

Neue Leuchtenköpfe passen jedoch häufig weder in das Budget noch in die Gestaltungsplanung; Umrüstsätze sind nicht für alle Leuchten verfügbar oder entsprechen preislich fast neuen Leuchtenköpfen.

Die Lösung kann der Austausch des alten Leuchtmittels mit einem LED-Retrofit-Leuchtmittel sein. Obwohl oder gerade weil eine solche Lösung finanziell sehr interessant ist, werden Argumente gegen diese Technologie vorgebracht, die Kunden verunsichern können. Im Folgenden werden häufige Argumente aufgelistet und kommentiert, um mehr Klarheit zu schaffen.

Durch die Umrüstung einer Leuchte auf LED-Leuchtmittel (Entfernen oder Überbrücken des Vorschaltgerätes) geht auch die Produkthaftung auf den Auftraggeber der Umrüstung über.
Die originäre CE-Deklaration eines Leuchtenherstellers bezieht sich auf seine Leuchte im ursprünglichen Zustand (inkl. Leuchtmittel); auf diese bezieht sich die Produkthaftung des Herstellers.

Nimmt ein Betreiber mechanische oder elektrische Umbauten an der Leuchte vor, so wird er „Quasi-Hersteller“. In diesem Fall kann die Produkthaftung auf ihn übergehen. Wohlbemerkt „kann“, nicht „muss“. Der Betreiber kann beim Hersteller erfragen, ob dieser eine Freigabe für die vorgesehene Umrüstung gibt.

Anbieter der LED-Retrofit-Leuchtmittel sind sehr häufig nur kurzweilige Marktteilnehmer und gegebenenfalls bei Reklamationen nicht mehr erreichbar oder gänzlich vom Markt verschwunden.
Viele LED-Retrofit-Leuchtmittel oder sogar komplette Leuchten werden aus Asien importiert. Diese sind häufig qualitativ minderwertig, sodass Importeure aufgrund von Gewährleistungsansprüchen in eine finanzielle Notlage kommen. Abhilfe schaffen der Nachweis von Referenzen und der Nachweis über die Herkunft des Produktes (Made in EU, Made in Germany).

Die Wärme wird nicht ausreichend aus der Leuchte abgeführt.
Wärmeabführung ist ein Thema für alle LED-Produkte (auch Leuchtenköpfe) und muss konstruktiv berücksichtigt werden. Bei vielen Produkten ist gutes Thermomanagement dem Design, der Baugröße oder der Wartbarkeit zum Opfer gefallen.

Seriöse Anbieter geben den L70-Wert nach Berechnung über das TM-21-Verfahren an. In diesem wird für die real auftretenden Temperaturen extrapoliert.

Das Licht wird nicht gerichtet. Es ist keine Symbiose zwischen Leuchtmittel und Bestandsleuchte vorhanden.
Es besteht bei den Retrofits fast immer eine vergleichbare Symbiose wie vorher mit HQL/NAV-Leuchtmitteln, da diese das Licht ebenfalls rotationssymmetrisch abstrahlen. Es sollten aber Retrofits gewählt werden, deren Abmessungen der der alten Leuchtmittel ähneln, damit das Leuchtmittel bestmöglich im Reflektor positioniert wird.

LED-Retrofit-Leuchtmittel sind relativ ineffizient (Verhältnis Lumen pro Watt) und haben dadurch relativ hohe elektrische Leistungen.
Gerade durch den Einsatz vieler Leuchtdioden mit geringerer Einzelleistung in vielen Retrofit-Leuchtmitteln ist die Effizienz (Lumen/Watt) häufig höher als bei LED-Leuchtenköpfen mit Leuchtdioden höherer Leistung.

Der elektrische Wirkungsgrad ist schlecht.
Hier findet sich kein Unterschied zwischen LED-Retrofit-Leuchtmitteln und LED-Leuchtenköpfen. Über den elektrischen Wirkungsgrad entscheidet die Qualität des Netzteils und der Treiberelektronik; er ist bei gleicher Qualität identisch.

Oftmals werden bei der Chip-Auswahl nicht die gleichen Binnings verwendet, sodass es zu deutlichen und störenden Farbunterschieden innerhalb eines Retrofit-Typs kommen kann.
Dies gilt herstellerabhängig für LED-Leuchtenköpfe genauso wie für LED-Retrofits. Gute Hersteller verwenden nur LEDs, die entsprechend der Vorwärtsspannung, Farbtemperaturen und Helligkeitswerte sortiert, also sehr ähnlich sind.

Die Leuchtmittel kommen meistens aus Fernost und entsprechen nicht den europäischen Normen.
Auch viele LED-Leuchtenköpfe kommen aus Fernost-Produktionen. Bestehen Zweifel an der Seriosität des Anbieter, kann man die Deklarationen und Testreports verlangen. Vereinzelt gibt es auch europäische Hersteller.

Fabio Tinagli

Der Autor
Fabio Tinagli ist Geschäftsführer des Leuchtenhersteller Helecta in Tostedt