Im Ernstfall klare Kante zeigen

„Stopp!“ Die Verwaltung der Landeshauptstadt München überlasst Mobbing-Opfer und -Täter nicht sich selbst, sondern zeigt Wege zur Konfliktlösung auf. Foto: BilderBox

Um Mobbing und Schikane bekämpfen und konkrete Fälle lösen zu können, hat die Landeshauptstadt München eine detaillierte Dienstvereinbarung erlassen. Personal- und Organisationsreferent Thomas Böhle erläutert in diesem Beitrag Inhalt und Wirkung des Regelwerks.

Wenn Menschen zusammenkommen, gibt es häufig Konflikte, die möglicherweise in Mobbing ausarten können. In der Praxis stellt sich häufig die Frage: Handelt es sich wirklich schon um Mobbing oder schwelt hier lediglich ein (eher üblicher) Arbeitsplatzkonflikt? Unter Mobbing versteht die Verwaltung der bayerischen Landeshauptstadt München, dass jemand am Arbeitsplatz häufig und über einen längeren Zeitraum gezielt schikaniert, drangsaliert oder benachteiligt und ausgegrenzt wird.

Wir beschreiben fünf Kategorien von Mobbinghandlungen und erläutern diese anhand von Beispielen, an denen sich sowohl die Beschäftigten als auch die Vorgesetzten sowie wir als Arbeitgeberin orientieren können: Angriffe auf die sozialen Beziehungen und auf die Möglichkeiten, sich mitzuteilen, Angriffe auf das soziale Ansehen, Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation, Angriffe auf die Gesundheit und Angriffe auf die sexuelle Selbstbestimmung.

Unter Schikane ordnen wir schwerwiegende Konfliktfälle ein, bei denen eine Abgrenzung zu Mobbinghandlungen nicht eindeutig möglich ist. Kurzfristige Konfliktsituationen oder Auseinandersetzungen über Schlechtleistungen, dienstliches Fehlverhalten oder Fragen der Leistungsfähigkeit zählen beispielsweise nicht dazu. In diesen Fällen können sich die Mitarbeiter oder auch Vorgesetzte an unsere Zentrale Stelle für Konfliktmanagement und Mediation oder auch an unsere psychosoziale Beratungsstelle wenden.

Die Stadt München hat 1997 erstmals in der Dienstvereinbarung (DV-) Mobbing die Rechte und Pflichten von Mitarbeitern und Vorgesetzten unter Einbeziehung der Personalvertretung detailliert festgelegt. Darin finden sich aber nicht nur die Beschreibungen, wann Mobbing vorliegt. Die DV beinhaltet ein Beschwerde- und Beratungsrecht, zeigt die verbindlichen Verfahrensschritte auf und setzt die Rolle der Vorgesetzten fest. Sie verpflichtet Führungskräfte, aber auch Personalräte zu Fortbildungen, die diese wiederum in die Lage versetzen, Mobbing und Schikane zu verhindern oder Lösungsstrategien zu entwickeln.

Besonders wichtig im Kampf gegen Mobbing und Schikane war uns, ein klares Zeichen zu setzen, dass jeder Verstoß auch Sanktionen zur Folge haben kann. In der Dienstvereinbarung verpflichtet sich die Stadt als Arbeitgeberin deshalb, gegen Vorgesetzte und Beschäftigte vorzugehen, die andere Beschäftigte nachweislich belästigen, benachteiligen, durch Mobbing in ihren Persönlichkeitsrechten verletzen oder solches Verhalten dulden.

Regelwerk wird aktualisiert

Im März 1999 stellten wir die DV zusammen mit dem Gesamtpersonalrat auf den Prüfstand. Ergebnis war eine Neufassung. Wir haben Bewährtes aus der bekannten Dienstvereinbarung von 1997 übernommen, aber auch Verbesserungsvorschläge eingearbeitet. Wir entschieden uns, „Schikane“ mit in die DV aufzunehmen.

Im Jahr 2001 trat die überarbeite „Dienstvereinbarung – Nein zu Mobbing und Schikane“ in Kraft. Das Regelwerk gilt schon im Vorfeld von Mobbing. In der dritten Version der DV von 2005 wurde unter anderem die Abgrenzung zu Tatbeständen, die kein Mobbing darstellen, noch klarer formuliert.

Den Beschäftigten wird in der DV zugesichert, dass sie sich „ohne Sanktionen oder nachteilige Auswirkungen auf den beruflichen Werdegang befürchten zu müssen“, bei ihren Vorgesetzten (auch beim nächsthöheren) beschweren können.

Personal- und Schwerbehindertenvertretungen, die Gleichstellungsstelle für Frauen, die Psychosoziale Beratungsstelle und der Betriebsärztliche Dienst, aber auch die Rechtsabteilung des Personal- und Organisationsreferates garantieren Beratung und Unterstützung. Diese Anlaufstellen können (sofern die Betroffenen zustimmen) auch einen runden Tisch einberufen, um den Konflikt gemeinsam zu lösen. Die Verantwortung für die Konfliktlösung hat aber in jedem Fall weiterhin der Vorgesetzte. Die Betroffenen wie die Vorgesetzten müssen sich bei einem Mobbing-Fall an die in der Dienstvereinbarung detailliert beschriebene fünfstufige Schrittfolge halten.

Lösungssuche in fünf Schritten

Besteht der Verdacht, dass zwischen Mitarbeitern gemobbt werden könnte, haben Vorgesetzte unverzüglich Einzelgespräche mit den Beteiligten zu führen. Betroffene wenden sich an die unmittelbaren oder nächsthöheren Vorgesetzten. In einem zweiten Schritt werden gemeinsam schnellstmöglich Lösungsmöglichkeiten gesucht. Manchmal reichen vermittelnde und schlichtende Gespräche zwischen den Beteiligten. Oft reicht es, Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Hat man sich auf eine Konfliktlösungsstrategie geeinigt, müssen diese die Vorgesetzten in einem dritten Schritt sofort umsetzen. Führen alle Gespräche, Angebote und ergriffenen Maßnahmen aus der Sicht der Betroffenen oder der Vorgesetzten in einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen zu keinem Erfolg, können sich die Betroffenen in einem vierten Schritt schriftlich an die nächsthöheren Vorgesetzten wenden.

Diese nächste Instanz unternimmt in einem fünften Schritt einen letzten Einigungsversuch. Wenn dieser ebenfalls scheitert und auch in höheren Führungsebenen der Konflikt nicht gelöst werden kann, können die Beteiligten professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt müssen die Rechtsabteilung, wegen etwaiger juristischer beziehungsweise dienstaufsichtlicher Konsequenzen, die Personalbetreuung zur Prüfung geeigneter organisatorischer Lösungen oder die zuständigen Stellen im Arbeitsumfeld eingeschaltet werden. Die genannten Verfahrensschritte sind innerhalb bestimmter Fristen zu durchlaufen. Nehmen Vorgesetzte ihre Aufgaben nicht wahr, stellt dies eine Dienstpflichtverletzung dar, die disziplinar- und arbeitsrechtlich verfolgt werden kann.

In den Fällen, in denen es uns nicht gelingt, Mobbing-Handlungen eindeutig nachzuweisen, in denen aber an den vorgetragenen Klagen und Beschwerden offensichtlich etwas „dran“ zu sein scheint, bieten wir eine Mediation an, die erfahrungsgemäß oft die Situation klären kann. Gelingt das nicht und die Arbeitsplatzsituation ist unerträglich geworden, wird für die Opfer ein neues Betätigungsfeld gesucht beziehungsweise diese werden bei Bewerbungen auf andere Stellen unterstützt. Auch wenn eine Umsetzung von einigen Betroffenen im Einzelfall als ungerecht empfunden werden mag, kann sie dennoch zum Schutz des Beschäftigten und aus der Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin heraus geboten sein.

Werden Mobbing-Handlungen nachgewiesen, kommen neben den in der Dienstvereinbarung festgelegten Sanktionen für mobbende Beschäftigte oder Vorgesetzte wie Umsetzungen, Entbindung eines Vorgesetzten von Führungsaufgaben, selbstverständlich auch die üblichen beamten- und arbeitsrechtlichen Schritte in Betracht. Die Bandbreite reicht von Missbilligungen, Verweisen, Abmahnungen bis hin zur Kündigung beziehungsweise Entfernung aus dem Dienst.

Sensibilisierung der Beschäftigten

Die Dienstvereinbarung ist nur einer unserer Bausteine im Kampf gegen Mobbing und Schikane. Sie gibt den Opfern und den Führungskräften Sicherheit. Die Mobber schreckt sie ab. An der Akzeptanz und dem hohen Grad der Sensibilisierung für dieses Thema kann man den Erfolg festmachen. Vor allem in den Führungskräfteschulungen stellen wir fest, dass sich hier viel positiv verändert hat. Außerdem haben wir über Jahre die Erfahrung gemacht, dass wir Beschäftigten helfen können, sich selbst erfolgreich zu wehren.

Oberste Priorität hat die Sensibilisierung aller Beschäftigten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wer die Spielregeln nicht kennt und das Thema verharmlost, kann schnell zum Opfer, aber auch zum Täter werden. Selbstverständlich verlieren wir die Arbeitsbedingungen nicht aus dem Blick.

Gesunde Arbeitsbedingungen stehen im Mittelpunkt unseres Betrieblichen Gesundheitsmanagements, das wir über Jahre bereits ausbauen. Dass wir auf diesem Feld gut unterwegs sind, zeigen unter anderem unsere Auszeichnungen mit dem Corporate Health Award 2014 und mit dem Deutschen Unternehmenspreis Gesundheit 2011.

Begleitend haben wir eine zentrale Stelle für Konfliktmanagement und Mediation in unserer Rechtsabteilung aufgebaut, deren Mitarbeiter wichtige Konfliktlösungsstrategien zeigen, um das Konfliktpotenzial möglichst niedrig zu halten.

Der Verwaltung liegen Zahlen vor, in wie vielen Fällen Mobbing wurden seit Inkrafttreten der Dienstvereinbarung angezeigt wurden. Wir nennen sie aber bewusst nicht, weil sie nicht aussagekräftig sind. Wir wissen nicht, wie hoch die Dunkelziffer ist. Die Erfahrungen zeigen aber, dass die DV eine starke präventive Wirkung hat. Auch sorgt sie dafür, dass unsere Führungskräfte sensibel mit Konflikten umgehen, diese früh thematisieren und mit Hilfe der verschiedenen Beratungsstellen oft bereits im Vorfeld klären können.

Thomas Böhle

Der Autor
Dr. Thomas Böhle ist Personal- und Organisationsreferent der bayerischen Landeshauptstadt München