Hören oder nicht hören

Ratssaal, Bürgerbüro, Klassenzimmer, Sporthalle – all diese Innenräume haben spezifische Anforderungen hinsichtlich der Raumakustik. Ihre Erfüllung – bei Neubauten bereits im Zuge der Planung, sonst durch schalltechnische Sanierungsmaßnahmen – ist die Voraussetzung für stressfreie Kommunikation.

Der erste Eindruck eines Raumes wird durch die Architektur, seine Form und Größe, aber auch durch die raumakustischen Eigenschaften bestimmt. Besonders die Raumakustik ist in den vergangenen Jahren bei öffentlichen Gebäuden stärker in den Fokus gerückt. Während vom Gesetzgeber immer höhere Anforderungen an die Gebäudehülle gestellt werden, zum Beispiel bezüglich des Wärmeschutzes, gibt es für die Raumakustik noch kein baurechtliches Regelwerk.

Die Akustik im Bauwesen gliedert sich in die beiden Teilbereiche Bauakustik (Schallschutz zwischen Räumen) und Raumakustik (Hörbedingungen im Raum). Charakteristische Größen sind in der Bauakustik die Schalldämmung für Bauteile sowie in der Raumakustik die Nachhallzeit. Um gute akustische Hörbedingungen in einem Raum sicherzustellen, ist durch geeignete bauakustische Maßnahmen der Lärm von außen (z. B. Straßenverkehr) oder von benachbarten Räumen weitestgehend zu reduzieren.

Raumakustik trifft Raumnutzung

Das raumakustische Verhalten eines Raumes wird maßgeblich durch absorbierende und reflektierende Flächen bestimmt, wobei dessen vorgesehene Nutzungsart die Erwartung an eine „gute Akustik“ mitbestimmt. In lauten Räumen (Fabrik- und Sporthallen, Foyers, Mensa) ist die Minderung von Lärm das primäre Ziel ist. In Klassenzimmern, Gruppenräumen in Kindergärten, Besprechungsräumen oder Vortragssälen sollen durch geeignete akustische Maßnahmen vor allem gute Hörbedingungen und eine hohe Sprachverständlichkeit erreicht werden.

Ganz andere Anforderungen hinsichtlich der Raumakustik werden dagegen an Räume mit Schalterbereichen in Banken oder Anlaufstellen in Rathäusern (z. B. im Sozialamt oder Bürgerbüro) und Finanzämtern gestellt. In diesen Räumen soll im nahen Umfeld von Beratungsplätzen eine möglichst geringe Sprachverständlichkeit und damit eine entsprechende Vertraulichkeit sichergestellt werden.

Die akustische Qualität von Räumen wird üblicherweise mit der physikalischen Größe Nachhallzeit T [s] beschrieben. Die Nachhallzeit ist definiert als die Zeitspanne in Sekunden, in der der Schalldruckpegel nach Abschalten der Quelle um 60 dB abnimmt. Die Nachhallzeit wird durch das Raumvolumen und die räumliche Verteilung schallabsorbierender beziehungsweise schallreflektierender Flächen bestimmt. Durch die akustische Gestaltung von Raumbegrenzungsflächen kann die Nachhallzeit reguliert und gezielt auf die vorgesehene Nutzung eingestellt werden.

Dabei wird üblicherweise der für Sprache und Gesang wichtige Frequenzbereich von 100 bis 5000 Hertz (Hz) betrachtet. Während bei Musikdarbietungen ein längerer Nachhall bei tiefen Frequenzen erwünscht wird (gibt dem Klang im Raum „Wärme“), ist bei Sprachvorträgen für eine hohe Sprachverständlichkeit meist eine gleichmäßige und vergleichsweise kurze Nachhallzeit anzustreben. Aus akustischer Sicht wird bei Räumen mit multifunktionaler Nutzung, zum Beispiel Gemeindehallen, daher oftmals ein Kompromiss hinsichtlich der Nachhallzeit angestrebt.

Neutralität ist gefragt

Grundsätzlich sollte ein Raum sich akustisch möglichst neutral verhalten. Das heißt, gleich langer Nachhall über den gesamten Frequenzbereich. Dies gewährleistet, dass den Zuhörern Sprache, Gesang und Musik möglichst unverzerrt und ohne störend lange Schallreflexionen erreichen.

Um ausreichend schallabsorbierende Fläche in einem akustisch sensiblen Raum unterzubringen, werden in der Regel die gesamte Deckenfläche sowie Wandbereiche akustisch wirksam ausgeführt. Hierbei kommen meist poröse Absorber (offenporige oder faserige Materialien) oder Resonanzabsorber (Gipskartonlochplatten, perforierte oder geschlitzte Holzpaneele u. a.) zum Einsatz, die die auftreffende Schallenergie in Wärme umwandeln und damit absorbieren.

Bei Akustikputzen handelt es sich ebenfalls um ein poröses Material. Es wird aufgrund der gleichmäßigen Oberfläche immer häufiger in der Raumgestaltung angewendet. Dabei ist allerdings zu beachten, dass durch das Aufbringen einer geschlossenen Farbschicht auf offenporige Materialien die Absorption deutlich vermindert werden kann.

Teppichböden absorbieren Schall bei höheren Frequenzen und eignen sich nur bedingt, um einen Raum akustisch zu verbessern. Allerdings mindern sie, im Vergleich zu schallharten Bodenbelägen, wirksam den Gehschall im Raum.

Neben den genannten akustisch wirksamen Materialien können auch Einrichtungsgegenstände zur Regulierung der Nachhallzeit beitragen. Das gilt beispielsweise für Möbel mit perforierten Fronten, gepolsterte Bestuhlung oder Stellwandsysteme zur Raumgliederung.

Die Regeln der Technik

Das Regelwerk zur Raumakustik ist die DIN 18041 „Hörsamkeit in kleinen und mittelgroßen Räumen“. Diese Norm ist zwar nicht baurechtlich eingeführt, gibt aber die allgemein anerkannte Regel der Technik in diesem Bereich wieder, sodass eine Planung grundsätzlich danach auszurichten ist. Die DIN 18041 legt akustischen Anforderungen fest. Sie gilt für Räume mit einem Raumvolumen bis etwa 5000 Kubikmeter und kann für Räume bis 30 000 Kubikmeter sinngemäß angewendet werden.

In der Norm werden zwei Raumgruppen unterschieden. In der Gruppe A soll eine gute Hörsamkeit über mittlere und große Entfernungen sichergestellt werden. Sie umfasst folgende Nutzung: „Musik“ (z. B. Musikunterrichtsraum, Säle mit Musikdarbietungen), „Sprache“ (z. B. Versammlungsräume, Gemeinde- oder Ratssaal), „Unterricht“ (z. B. Klassenzimmer, Gruppenräume in Kindergärten oder Kindertagesstätten, Seminarräume) sowie „Sport“ (Sporthallen).

In der Raumgruppe B wird die Hörsamkeit nur über eine geringe Entfernung sichergestellt, über größere Entfernungen ist sie bereits stark eingeschränkt. Die Gruppe B umfasst Flure mit Aufenthaltsqualität wie etwa in Schulen und Kindertageseinrichtungen, Speiseräume, Kantinen, Umkleiden, Ausstellungsräume, Eingangs- oder Schalterhallen.

Neue Nutzungsart „Inklusion“

Der Normentwurf 2015 geht ausdrücklich auf Nutzer mit beeinträchtigtem Hörvermögen ein, die besondere Anforderungen an das Sprachverstehen haben. Mit der neuen Nutzungsart „Inklusion“ soll für diese Menschen bei kommunikationsintensiver Nutzung eine deutlich bessere Sprachverständlichkeit sichergestellt werden. Im Sinne des inklusiven Bauens sind daher von Beginn der Planung an die Bedürfnisse von Personen mit eingeschränktem Hörvermögen zu berücksichtigen.

Nicht nur die typischen „Veranstaltungsräume“ dienen der Kommunikation, sondern es finden Gespräch und Verständigung überall dort statt, wo Menschen sich begegnen, zum Beispiel auch auf Fluren, in Foyers und Pausenhallen. Der Normentwurf berücksichtigt den aktuellen Kenntnisstand bezüglich Hörsamkeit und Inklusion.

Ohne Experten geht es nicht

Aus der geplanten Nutzung und dem Volumen des Raumes ergibt sich ein Zielwert der Nachhallzeit. Daraus und aus dem Raumvolumen wird die benötigte äquivalente Absorptionsfläche berechnet. Für die weitere raumakustische Planung werden dann frequenzabhängig die in dem Raum vorhandene Absorption der Oberflächen und der Ausstattungsgegenstände berechnet. Um den Zielwert der Nachhallzeit zu erreichen, werden im nächsten Schritt die zusätzlich einzubringenden schallabsorbierenden Flächen mit den erforderlichen frequenzabhängigen Absorptionsgraden bestimmt. Die Absorptionsgrade können den Angaben von Herstellern zum Beispiel aus Prüfzeugnissen nach DIN EN 20354 entnommen werden; Beispiele enthält auch der Anhang B der DIN 18041. Die zusätzlichen, meist hochabsorbierenden Flächen werden entsprechend positioniert, um zum Beispiel störende „Flatterechos“ aufgrund parallel stehender schallharter Bauteilflächen zu unterbinden.

Generell erfordern diese raumakustischen Berechnungen neben bauphysikalischem Verständnis und Erfahrung auch einen Datenpool mit frequenzabhängigen Absorptionsgraden. Sie sollten deshalb von einem erfahrenen Planer durchgeführt werden.

Martin Schneider / Achilles Bückle

Die Autoren
Martin Schneider, tätig an der Hochschule für Technik Stuttgart im Fachbereich Bauphysik (Akustik und Energietechnik), ist Vorsitzender des Fachausschusses Bau- und Raumakustik in der Deutschen Gesellschaft für Akustik, Achilles Bückle ist Geschäftsführer des Ingenieurbüros Bückle Bauphysik in Backnang