Heizen im Zeichen der Zukunft

Die Energiewendediskussion hat sich lange Zeit auf den Stromsektor fokussiert. Inzwischen gilt die Erkenntnis, dass entscheidende Beträge zu einer CO2-armen Energieversorgung auf dem Wärmesektor geleistet werden können. Die Enercity in Hannover gehört zu den Versorgern, die sich auf diesem Feld neu ausrichten.

Aktuell wird in Deutschland ein Großteil der bereitgestellten Endenergie im Bereich der Gebäudeheizung verbraucht. Da sich der Immobilienbestand aufgrund einer Neubaurate von lediglich ein bis zwei Prozent und angesichts vergleichsweise langlebiger Objekte und Haustechniken nur sehr langsam erneuert, ist hinsichtlich der Gebäudeenergieversorgung eine strategisch angelegte, umfassende Wärmewende notwendig. Denn nur so kann die Wärmeversorgung von Wohn- und Nichtwohngebäuden möglichst zügig klimaneutral beziehungsweise erneuerbar gestaltet werden.

Die Stadtwerke Hannover haben sich in ihrer neuen Unternehmensstrategie „Enercity 4.0“ zu einer Neuausrichtung der Wärmeversorgung bekannt. Bis zum Jahr 2035 sollen über 50 Prozent der von Enercity gelieferten Wärme auf erneuerbarer Basis (inklusive Abwärmequellen) entstehen.

Während die Contracting-Beteiligungen der Stadtwerke (Enercity Contracting GmbH und die Potsdamer Danpower GmbH) bei ihren bundesweiten dezentralen Wärmeprojekten aktuell bereits mehr als die Hälfte ihrer gelieferten Wärme erneuerbar erzeugen und mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) substanziell zur Ökostromerzeugung bei Enercity beitragen, ist die Wärmeversorgung in Hannover noch zu 100 Prozent fossiler Natur.

Auch wenn mittelfristig weiterhin ein erheblicher Anteil der Fernwärme aus den innerstädtischen fossil befeuerten KWK-Anlagen stammen wird der Umbau der Fernwärmeversorgung beginnt. Einen deutlichen Beitrag wird die vorgesehene Auskopplung von bis zu 300 Gigawattstunden (GWh) Wärme pro Jahr aus der bestehenden Müllverbrennungsanlage (MVA) leisten (bis zu 25 % des Gesamtfernwärmebedarfs in Hannover). Weitere Wärmemengen soll in wenigen Jahren eine neue Klärschlammverbrennungsanlage beisteuern. Rund 60 GWh Wärmeenergie jährlich beziehungsweise fünf Prozent der in Hannover benötigten Fernwärme können auf dieser Basis gewonnen werden. Im Mai 2017 hat Enercity den Dialog mit Politik und Öffentlichkeit zu diesem Projekt gestartet.

Fernwärmeerzeugung in Zukunft start diversifiziert

Unter dem Stichwort „Grüne Fernwärme“ beschäftigt sich Enercity auch mit weiteren Möglichkeiten zur Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energie an der Wärmeversorgung. Alles in allem wird die Fernwärmeerzeugung zukünftig gegenüber heute sehr stark diversifiziert sein. Zusätzliche dezentrale Einspeiser können zudem dazu beitragen, die hydraulische Situation im Netz zu verbessern und die Menge an Pumpenstrom zu verringern.

Derzeit untersucht Enercity systematisch die Möglichkeiten der erneuerbaren Fernwärmeerzeugung durch Abwärmenutzung, Wärmepumpen, Solarthermie, Biomasseeinsatz (auch im Kohle-Heizkraftwerk), Geothermie sowie auch die Option „Power to Heat“. Um effizient Einspeiseoptionen wie Solarthermie und Großwärmepumpen nutzen zu können, ist perspektivisch eine Absenkung der Vor- und Rücklauftemperaturen im Netz erforderlich. Dies prüft das Unternehmen unter Berücksichtigung der entsprechenden Anforderungen seiner Kunden.

Enercity treibt Digitalisierung voran

Ein weiteres Thema, dem man Aufmerksamkeit widmet, ist die Digitalisierung des Netzes durch zusätzliche Sensoren und geeignete Software. Ziel hier ist es, die Steuerung weiter zu optimieren und Reserven im Netz auszuschöpfen.

Im Netz ist bereits ein (Kurzfrist-)Wärmespeicher mit einer Kapazität von 500 Megawattstunden (MWh) installiert, was ungefähr einem halben Tag Grundlastversorgung entspricht. Der Speicher dient der Flexibilisierung der Einspeisung und der Optimierung der Netz- und Kraftwerksfahrweise.

Da einige der untersuchten Optionen wie Solarthermie, aber auch Wärmepumpen und gewerbliche Abwärme, überwiegend im Sommer zur Verfügung stehen, die Wärme aber vorrangig im Winter gebraucht wird, kann mittel- bis langfristig auch ein saisonaler Wärmespeicher erforderlich werden.

Einige Erzeugungsoptionen sind derzeit nicht wirtschaftlich. Zum Beispiel können Power to heat oder Wärmepumpen noch nicht sinnvoll genutzt werden, weil die Umlagensystematik gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den Strompreis einseitig belastet. Hier werden Änderungen erwartet, die bereits in der politischen Diskussion sind. Sie sollen die vielzitierte Sektorkopplung befördern und den Stromeinsatz im Wärmesektor wirtschaftlicher gestalten.

Stefan Scheloske / Manfred Schüle

Die Autoren
Stefan Scheloske leitet beim kommunalen Energieversorger Enercity, Hannover, die Abteilung Unternehmensentwicklung und Beteiligungen, Dr. Manfred Schüle ist Geschäftsführer von Enercity Contracting

Info: Sektorkoppelung
Von Sektorkopplung wird gesprochen, wenn man Strom aus erneuerbaren Quellen nutzt, um in anderen Sektoren – zum Beispiel Wärmeversorgung und Verkehr – den Einsatz von fossilen Energien zu reduzieren. Beim Power-to-heat-Konzept (Power to heat, engl. Strom zu Wärme) wird statt fossiler Brennstoffe Strom zur Wärmegewinnung eingesetzt. Je mehr von diesem Strom aus erneuerbaren Quellen stammt, desto erfolgreicher trägt der Stromsektor dazu bei, das Klima zu schützen.

Info: Wärme-Kompetenz
Mit seinen Contracting-Gesellschaften ist Enercity seit den 1990er-Jahren im Markt für dezentrale Wärme- und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen aktiv. Rund 1700 Objekte betreiben die Beteiligungsunternehmen aktuell bundesweit sowie in Estland und Litauen. Sie verfügen über umfangreiche Erfahrungen mit dezentralen Wärmenetzen, bei Kundenanlagen in rund 250 Städten und Gemeinden aller Größenordnungen in Deutschland.

In Hamburg beispielsweise demonstriert Enercity in Zusammenarbeit mit dem Kupferproduzenten Aurubis, wie im großstädtischen Raum industrielle Abwärme für die Wärmeversorgung genutzt werden kann. Für die Versorgung der östlichen Hafencity koppelt Aurubis Wärme aus, die während der Umwandlung von Schwefeldioxid – ein Nebenprodukt, das bei der Kupferschmelze anfällt – zu Schwefelsäure entsteht. Diese industrielle Abwärme ist nahezu frei von CO2. Allein in der Hafencity Ost werden im Endausbau (Ziel: 2029) rund 4500 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart. Perspektivisch soll die Abwärme auch im Hamburger Fernwärmenetz eingesetzt werden, sodass insgesamt mehr als 20 000 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr vermieden werden können.