Grundlagen schaffen

Der Einstieg in das Berufsleben in Deutschland ist ein wichtiger Baustein der Integration von Flüchtlingen und Zuwanderen. Eine Reihe kommunaler Verkehrsbetriebe engagiert sich auf diesem Gebiet und bietet Ausbildungs- und Praktikumsplätze an. Wir stellen verschiedene Beispiele vor.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und seine Mitgliedsunternehmen hatten sich im Juni 2016 ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis zum Jahresende wollen sie 1000 Stellen für Flüchtlinge schaffen und auf diese Weise zu einer möglichst schnellen Integration dieser Menschen in Deutschland beitragen. Nach rund vier Monaten zog der VDV eine positive Zwischenbilanz. Bis Ende September konnten insgesamt 460 Ausbildungs- und Praktikumsplätze sowie Hospitationen und auch Festanstellungen geschaffen werden. Zum Kreis der besonders engagierten Unternehmen zählen kommunale Verkehrsbetriebe unter anderem in Köln, München, Berlin, Bremen, Darmstadt, Mainz, Hamburg und Dresden.

So haben 13 Geflüchtete aus Syrien, Iran, Irak, Afghanistan und Ägypten bei den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB) inzwischen eine Ausbildung zum Busfahrer begonnen. Dieses Angebot entstand in enger Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit Köln, dem Jobcenter sowie dem Bildungswerk Verkehr Wirtschaft Logistik Nordrhein-Westfalen (BVWL). Die Arbeitsagentur lud die Bewerber zum Einstellungstest ein. Anschließend wurden sie von der KVB für den Ausbildungskurs ausgewählt. Im Rahmen der rund einjährigen Ausbildung absolvieren die Teilnehmer zunächst einen sechs- bis neunwöchigen Sprachkurs bei der Fortbildungsakademie der Wirtschaft. Danach durchlaufen diejenigen, die noch nicht im Besitz des Führerscheins der Klasse B sind, einen entsprechenden Lehrgang und beginnen schließlich eine Qualifizierung zum Busfahrer (Führerschein Klasse D). Wer die Abschlussprüfung vor der Industrie- und Handelskammer (IHK) bestanden hat, nimmt an einem dreimonatigen Praktikum bei der KVB teil. Erfolgreichen Absolventen wird eine unbefristete Festanstellung in Aussicht gestellt.

Unternehmerische Verantwortung

Darüber hinaus erhielten zwei Praktikanten einen Ausbildungsvertrag zur Fachkraft im Fahrbetrieb (IHK). „Die breit gefächerten Ausbildungsinhalte qualifizieren nicht nur zum Bus- oder Straßenbahnfahrer“, so KVB-Mediensprecher Stephan Anemüller, „sondern schaffen zugleich die Grundlage für eine spätere Laufbahn in der Verwaltung oder im Bereich des Marketings. Dadurch erweitert sich das Spektrum für die berufliche Entwicklung.“

Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) wurde das Angebot der Einstiegsqualifizierung (EQ) mit IHK-Zertifikat, das von den Arbeitsagenturen und den Jobcentern finanziert wird, für Flüchtlinge geöffnet. „Eigentlich ist es das Ziel der Maßnahme, dass junge Menschen, die bislang keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, Teile eines Ausbildungsberufs kennenlernen können“, erläutert Rocco Wille von den Berliner Verkehrsbetrieben. „Wir sehen uns aber auch als Unternehmen in der Verantwortung, einen Beitrag zur besseren Integration von geflüchteten Menschen zu leisten. Aus diesem Grund haben wir fünf von insgesamt zwölf Plätzen mit Flüchtlingen besetzt.“ Bei den infrage kommenden Ausbildungsberufen handelt es sich um die Fachbereiche Industriemechanik, Mechatronik, Informatik sowie Elektronik für Betriebstechnik und für Informations- und Systemtechnik.

Es habe sich in jedem Fall gelohnt, diesen Weg zu gehen, denn die Erfahrungen mit den jungen Flüchtlingen seien vielversprechend. Inzwischen hätten vier von ihnen eine Ausbildung begonnen, so Rocco Wille. Es wundert deshalb nicht, dass weitere Vorhaben in Planung sind. Erwogen werde beispielsweise, hierbei auf das Angebot „Perspektiven für Flüchtlinge – PerF“ nach Paragraf 45 des Dritten Sozialgesetzbuchs zur Feststellung beruflicher Kenntnisse zurückzugreifen.

Zur Motivation der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB), sich für diese Menschen zu engagieren, sagt Personalleiterin Kristin Grund: „Wir haben uns dazu entschlossen, sie bei der Integration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen, weil dies aus unserer Sicht eine zentrale Grundlage für ein gutes Zusammenleben schafft.“ Enge persönliche Kontakte seien unerlässlich. Nur so könne es gelingen, die Standards des Berufsfeldes nach und nach zu vermitteln. Aufgrund der Qualifikationsprofile der Flüchtlinge sieht Kristin Grund allerdings kurzfristig keine Möglichkeit, die drohende Fachkräftelücke, von der die neuen Bundesländer besonders stark betroffen seien, zu kompensieren.

Zurzeit arbeitet das Unternehmen mit zwei DaZ (Deutsch als Zweitsprache)-Klassen an Berufsschulzentren zusammen, in denen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Deutsch lernen und parallel dazu Möglichkeiten erhalten, das hiesige Berufssystem kennenzulernen. „Gerade diese jungen Leute haben gute Chancen, sich rasch an unsere Berufswelt zu gewöhnen“, sagt Kristin Grund. Nach allem, was sie in ihren Heimatländern und auf der Flucht erlebt hätten, sei es wichtig, ihnen Halt und Orientierung zu geben. „Anders als man es sonst gewohnt ist, bedeutet die freie Zeit während der Schulferien für sie eher eine Belastung. Daher bieten wir ihnen währenddessen Praktika an und sind mit den Ergebnissen sehr zufrieden.“

Michaela Allgeier

Die Autorin
Michaela Allgeier, Essen, ist Autorin und Beraterin in den Themenfeldern Demografische Entwicklung und Gerontologie sowie Integration

Info: Die Bundesagentur für Arbeit unterstützt Betriebe, die junge Menschen zu einer Ausbildung befähigen möchten, mit dem Programm der Einstiegsqualifizierung (EQ)