Digitalisierung findet Stadt

Der Begriff der Smart City ist untrennbar mit der digitalen Transformation verbunden. Technik, Wissenschaft und Märkte entfalten hier gewaltige Kräfte. Es gilt, diese im Sinne einer nachhaltigen und integrierten Stadtentwicklung auszubalancieren und die mit ihnen verbundenen Potenziale zu heben.

Die Digitalisierung bietet Städten, Gemeinden und Kreisen Chancen auf dem Weg der nachhaltigen Entwicklung und kann ressourcenschonendere, bedarfsgerechtere Lösungen für zentrale Herausforderungen der Stadtentwicklung unterstützen. Gleichzeitig kann sie aber auch selbst eine Herausforderung für die Stadtentwicklung sein, wenn es um die Herausbildungen von Digitalkompetenzen, um neue Kooperationsformen mit der Wirtschaft, aber auch um die Vermeidung einer weiteren digitalen Spaltung der Gesellschaft geht.

Politik und Verwaltung stehen angesichts des Megatrends „Digitalisierung“ in der Stadtentwicklung vor der Aufgabe, „die Technologien zu urbanisieren“, wie die US-amerikanische Soziologin und Wirtschaftswissenschaftlerin Saskia Sassen es formuliert hat. Die Smart City-Charta „Digitale Transformation in den Kommunen nachhaltig gestalten“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) leistet genau dazu einen wichtigen Beitrag. Sie versteht sich als Impulsgeber und Wertekompass auf dem Weg in die digitale Zukunft der Städte.

Digitalisierung braucht Steuerung

„Smart Cities sind nachhaltiger und integrierter Stadtentwicklung verpflichtet“ stellt die Charta gleich zu Beginn heraus. Um die Chancen für mehr Nachhaltigkeit, Bürgernähe und Effizienz zu nutzen und Risiken vorzubeugen, ist eine ihrer zentralen Forderungen, auf breiter gesellschaftlicher Basis kommunale Digitalisierungsstrategien zu erarbeiten, Anwendungsfelder für die Digitalisierung zu identifizieren und auch Organisationsfragen in den Kommunen selbst zu adressieren. Digitalisierung soll im sozialen, ökologischen wie auch ökonomischen Sinne nachhaltigen Zielen dienen und darf diesen nicht entgegenwirken. Diesen bewussten Umgang mit Digitalisierung bezeichnet die Charta als „digitale Transformation“.

Diese wird nur gelingen, wenn Transparenz, Teilhabe und Mitgestaltung sowie Integration als wichtige Imperative dieses Wandels ernst genommen werden. Technik darf nicht Selbstzweck sein, vielmehr muss sie zum Wohle der Menschen entwickelt werden, was dann auch zu einer Stärkung der kommunalen Demokratie beitragen kann.

Inwieweit Kommunen digitale Chancen tatsächlich werden nutzen können, hängt entscheidend vom kontinuierlichen Ausbau der relevanten Infrastrukturen ab. Dies gilt gleichermaßen für urbane Zentren wie für ländliche Räume. Je mehr es dabei zu einer Vernetzung bisher sektoraler Infrastrukturen untereinander kommt, desto wichtiger werden Fragen der Sicherheit und dauerhaften Funktionsfähigkeit dieser Systeme.

In der Stadt der Zukunft werden Daten in allen Lebensbereichen eine herausragende Bedeutung haben. Die Charta gibt hierzu eine Reihe von Empfehlungen. Sie zielen im Kern auf einen verantwortungsvollen Umgang mit neuen Daten sowie eine möglichst breite kommunale Datenhoheit. Oberstes Ziel ist es, die Privatheit des Einzelnen zu sichern und die Selbstbestimmung und Handlungsfähigkeit der Kommunen aufrechtzuerhalten.

Damit die Digitalisierung auf lokaler Ebene in diesem Sinne positiv gestaltet werden kann, wird es darauf ankommen, dass die Kommunen nicht nur Akteure der Stadtentwicklung, sondern auch Akteure der Digitalisierung werden und bleiben. Die Smart City Charta unterstreicht die Bedeutung von Kompetenzen im Umgang mit Daten, neuen Technologien und neuen Medien. Ihre Nutzung kann vielfältig positive Potenziale entfalten. In neuen Datenquellen und ihrer Verknüpfung mit dem bekannten Bestand schlummern neue Erkenntnisse für die Stadtentwicklung. Um sie nutzen zu können, bedarf es aber neuer Kompetenzen, Strukturen und Ressourcen. Gleiches gilt für die kritische und konstruktive Nutzung neuer Medien und Informationstechnik sowohl innerhalb der Verwaltung als auch in der Zivilgesellschaft.

Peter Jakubowski / Stephan Günthner / Eva Schweitzer

Die Autoren
Peter Jakubowski ist Leiter des Referats Digitale Stadt, Risikovorsorge und Verkehr im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Stephan Günthner und Eva Schweitzer sind in diesem Referat wissenschaftliche Projektleiter

Info: Smart City Charta
Die Digitalisierung ist in kaum einen Lebensbereich noch nicht vorgedrungen. Schlagworte wie Big Data, Industrie 4.0, Arbeit 4.0 oder Smart Cities umreißen die Entwicklung. In Teilen deuten sich bereits räumliche Auswirkungen an. Doch vieles bleibt offen. Führt Digitalisierung zu mehr Ressourceneffizienz? Werden verträglichere Produktionsformen möglich? Wie sieht zukünftig der Alltag aus und welche Kompetenzen brauchen wir? Die Smart-City-Charta „Digitale Transformation in den Kommunen nachhaltig gestalten“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) gibt Leitlinien und Handlungsempfehlungen auf dem Weg zu Smart Cities. – Download der kostenlosen PDF-Version (388 KB)

Info: Digitale Lernlabore
Für die Konkretisierung der digitalen Transformation und der Handlungsfelder der Smart City Charta bedarf es praxisbezogener Ansätze, Tools, Apps und Plattformen, die zur besseren Erfüllung kommunaler Aufgaben geeignet sind. Das bedeutet auch, dass die Städte und Gemeinden Wege finden müssen, vielfältige Digitalkompetenzen für ihre Verwaltungen aufzubauen. Vor diesem Hintergrund startet das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Herbst 2017 das Forschungsfeld „Smart Cities – Digitale Lernlabore“. Hier werden die Potenziale von großen und neuen Datensätzen für städtische Belange sowie die Rahmenbedingungen ihrer Nutzung untersucht. Mithilfe von Data Analytics sollen aus dem „Rohstoff Daten“ neue Erkenntnisse für die nachhaltige Stadtentwicklung gewonnen werden. Zudem ist vorgesehen, zur Stärkung digitaler Kompetenzen zielgruppenspezifische, quartiersbezogene und niederschwellige Ansätze der Medienbildung in der Zivilgesellschaft weiter zu entwickeln.