Die Schlüsselrolle der Kommunen

Der Umbau der Energieversorgung in Deutschland mit dem Ziel Nachhaltigkeit gelingt nur, wenn auch der Wärmesektor „erneuerbar“ wird. Es braucht dazu noch viel mehr Beispiele wie das Dorf Bollewick in Mecklenburg-Vorpommern. Dort versorgt ein Nahwärmenetz auf Biogasbasis 75 Prozent der Haushalte.

Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem Ziel der Bundesregierung, bis 2050 einen „nahezu klimaneutralen Gebäudebestand“ zu erreichen, liegen die Messlatten im Wärmebereich hoch: Neben erheblichen Effizienzgewinnen ist in den kommenden gut 30 Jahren nicht mehr und nicht weniger als die komplette Abkehr von fossilen Energieträgern wie Kohle, Gas oder Öl in der Wärmeversorgung zu schaffen. Die Kommunen nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein, denn die Wärmeversorgung ist ein genuin lokales und dezentrales Thema. Als planende Instanz können die Städte und Gemeinden hier ihren Aufgaben der Daseinsvorsorge gerecht werden und eine Vorbildfunktion übernehmen.

Dabei sind sie jedoch mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert, denn es gilt die Interessen vieler unterschiedlicher Akteure wie Bürger, Industrie und Gewerbe, aber auch der Kommunalverwaltung selbst zu moderieren und in Einklang zu bringen. Es muss deutlich gemacht werden, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien neben einem Beitrag zum Klima- und Umweltschutz auch wirtschaftliche Vorteile für die Bürger und die Gemeinde bringt.

In Deutschland erkennen immer mehr Städte und Gemeinden die Vorteile des Umstiegs auf eine regenerative Wärmeversorgung. Eine Vorreiterkommune ist das mecklenburgische Dorf Bollewick. Schon im Jahr 2008 fassten die 640 Bürger von Bollewick den Entschluss, die örtliche Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen. Die Idee wurde von Gemeindevertretern, zwei örtlichen Landwirten und weiteren Vordenkern in einer eigens dafür gegründeten Arbeitsgemeinschaft weiterentwickelt, geplant und schließlich umgesetzt. Seit 2012 versorgt nun ein 3500 Meter langes Nahwärmenetz 75 Prozent der Häuser des Ortes sowie kommunale Gebäude mit klimafreundlicher Wärme. Sie stammt aus zwei Biogasanlagen, deren Abwärme (2,1 Millionen Kilowattstunden jährlich) durch das Nahwärmenetz an die Wärmekunden verteilt wird.

Wärmeversorgung durch erneuerbare Energien

Kommunen wie Bollewick sind bisher noch eine Ausnahme. Deutschlandweit haben erneuerbare Energien erst einen Anteil von 13,2 Prozent am Wärmeverbrauch, wobei innerhalb des regenerativen Anteils die Biomasse mit 87 Prozent dominiert. Anders gesagt: Für fast 90 Prozent der Wärme werden noch klimaschädlich fossile Brennstoffe verheizt, zumeist in Öl- und Gaskesseln, die zum großen Teil technisch veraltet sind. Dadurch ist der deutsche Wärmemarkt für rund 40 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich.

Es besteht also akuter Handlungsbedarf und zugleich die Chance zum Umstieg auf erneuerbare Energien. Neben der Bioenergie, deren Potenzial ausreicht, um bis 2050 ein Viertel des Primärenergiebedarfs Deutschlands zu decken, werden dabei zukünftig auch Wärmepumpen, Solarthermie, Tiefengeothermie und Power-to-Heat-Anlagen an Bedeutung gewinnen.

In Bezug auf die klimafreundliche Umstellung der Wärmeversorgung verfügen Kommunen auch als Multiplikator über großen Gestaltungsspielraum. Die Energiespar- und Klimaschutzmaßnahmen im Bereich kommunaler Gebäude hat Vorbildfunktion gegenüber Bürgern und Unternehmen. Nicht selten wird die Glaubwürdigkeit einer kommunalen Klimaschutzpolitik an der Umsetzung in den eigenen Liegenschaften gemessen. Gleichzeitig kann der Nutzen regenerativer Quellen demonstriert werden: Erneuerbare Wärme senkt die Abhängigkeit von Energieimporten und steigert die lokale Wertschöpfung.

Chancen im ländlichen Raum

Gerade auch der ländliche Raum ist potenzieller Nutznießer, denn hier stehen genügend Flächen, etwa für den Anbau von Energiepflanzen oder zur Erzeugung von Energieholz zur Verfügung, aber auch Reststoffe Landschaftspflege und Landwirtschaft (z. B. Stroh). Die Nutzung dieser nachwachsenden heimischen Energieträger sorgt dafür, dass die Energieausgaben nicht aus der Kommune ab-, sondern in den lokalen Wirtschaftskreislauf zurückfließen.

Der großvolumige Einsatz erneuerbarer Energien im Wärmesektor erfordert in vielen Kommunen eine Umstellung auf netzgebundene Versorgung. Dabei ist eine strategische Wärmeplanung notwendig, die die vorhandenen Optionen beleuchtet und Maßnahmen für Stadtteile, Quartiere und Einzelgebäude ableitet. Über die Nationale Klimaschutzinitiative (NKI) des Bundesumweltministeriums können sich Kommunen die Erstellung eines Wärmekonzepts mit einem Zuschuss von 50 Prozent fördern lassen (finanzschwache mit bis zu 95 Prozent).

Außerdem erhalten sie eine kostenlose Einstiegsberatung, und die NKI fördert die Stelle eines Klimaschutzmanagers für drei Jahre (mit Option auf weitere zwei Jahre). Ist in der Gemeinde die Entscheidung für ein Wärmenetz gefallen, sind drei Betreibermodelle denkbar: Eigenbetrieb über ein Stadt- oder Gemeindewerk, Gründung einer Energiegenossenschaft oder per Contracting.

Für den Bau des Netzes können Kommunen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Zuschüssen sowie über die KfW-Bank zinsgünstigen Krediten (Förderprodukt 271) erhalten. In jedem Fall übernehmen die Kommunen bei der Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien eine Schlüsselrolle ein: Sie werden zur koordinierenden, fördernden und fordernden Instanz, die initiiert und den Prozess moderiert. Sie haben damit das Gelingen der lokalen Wärmewende in der Hand.

Philipp Vohrer

Der Autor
Philipp Vohrer ist Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE), Berlin, die Überzeugungsarbeit für die Energiewende leistet

Info: Die Umsetzung von klimafreundlichen kommunalen Wärmeprojekten ist ein komplexer Prozess, der Know-how, Planung und Überzeugungsarbeit erfordert. Die Agentur für Erneuerbare Energien bietet Arbeitshilfen, Argumente und Fallbeispiele, um die Orientierung und Gewinnung von Mitstreitern zu unterstützen. Ende 2016 erschien zum Beispiel das 24-seitige Hintergrund­papier „Renews Spezial: Die kommunale Wärmeplanung“.