Die Nachbarn machen es vor

Der Bandbreitenbedarf für schnelle Internetzugänge steigt kontinuierlich. Datenübertragungsraten bis zu 1 Gbit/s schafft aber nur die Ausbauvariante „Glasfaser bis ins Haus“. Wir blicken über die Grenzen und betrachten vorbildliche FTTx-Projekte in Luxemburg und der Schweiz.

Die kürzliche getroffene Vectoring-Entscheidung der Bundesnetzagentur räumt der Deutschen Telekom im Nahbereich der Vermittlungsstellen eine Quasi-Monopolstellung ein. Die damit einhergehende Konzentration auf den FTTC-Ausbau (Fiber to the Curb; das bedeutet Glasfaserausbau bis zum Verteilkasten) hat jetzt zur Folge, dass Deutschland bei der Glasfaserabdeckung gegenüber den führenden Wirtschaftsnationen weiter an Boden verliert. Die Bundesregierung verfolgt im Breitbandausbau das Ziel, dass bis zum Jahr 2018 flächendeckend Datenübertragungsraten von 50 Mbit/s verfügbar sind.

Gemäß Breitbandatlas hatten in Deutschland Ende 2015 nur 6,7 Prozent der Haushalte die Möglichkeit, einen bis in ihre Wohnung (FTTH, Fiber to the Home) oder ins Haus (FTTB, Fiber to the Building) reichenden Glasfaseranschluss zu nutzen. Davon wurden aber lediglich 1,6 Prozent tatsächlich benutzt. Damit liegen wir nicht nur deutlich hinter Japan, Südkorea und den USA, sondern auch signifikant unter dem EU-Durchschnitt von rund sechs Prozent. Auch wenn die Verlegung der Glasfaser mit hohen Kosten verbunden ist, gibt es Beispiele in unseren Nachbarländern, wie diese zukunftssichere Kommunikationsinfrastruktur realisiert und finanziert werden kann.

Gesellschaft im Besitz der Gemeinden

Schon im Jahr 2009 hat die RW Oberwallis (Regions- und Wirtschaftszentrum Oberwallis) in der Schweiz eine Studie in Auftrag gegeben, mit der die Realisierung eines Glasfasernetzes für die Region untersucht werden sollte. Als Resultat wurde Ende November 2012 die Datennetzgesellschaft Oberwallis (DANET) gegründet. Diese unabhängige Gesellschaft befindet sich im Besitz aller Gemeinden und ist verantwortlich für Planung, Bau, Betrieb und Wartung des Glasfasernetzes, das als Eigentum bei der jeweiligen Gemeinde verbleibt. Bei der Gründung wurden die fünf vorrangigen Ziele festgelegt: Abdeckung der gesamten Region, Offenheit des Netzwerks für den Wettbewerb, Vermeidung teurer paralleler Investitionen, Integration aller wichtigen Organisationen in das Projekt, Minimierung finanzieller Aufwendungen für die Gemeinden.

Die 67 Oberwalliser Gemeinden im Kanton Wallis unterscheiden sich nicht nur in der Seehöhe, die zwischen 581 und 4634 Metern liegt, sondern auch in Infrastruktur und Finanzkraft. Trotzdem soll jeder Glasfaseranschluss unabhängig von der Lage zu gleichen Bedingungen gebaut werden. Dazu wurde folgendes Finanzierungsmodell verabschiedet: Jede Gemeinde zahlt pro Einwohner 400 Schweizer Franken (CHF), wobei sich dieser Betrag wieder zeitlich aufsplittet. Jede Kommune investiert zunächst 50 CHF pro Einwohner und trägt damit zum Eigenkapital von DANET bei. Sobald eine Kommune aktiv in das Projekt einsteigt, sind weitere 350 CHF für die Entwicklungskosten fällig. Die restlichen Kosten finanziert DANET mit Fremdkapital.

„Wir schätzen die Gesamtkosten des Projekts auf 200 Millionen CHF“, so DANET-Geschäftsführer Martin Nanzer. „Wir rechnen mit der Abdeckung der gesamten Region bis spätestens 2025. Planmäßig sind Ende 2014 die ersten drei Gemeinden ans Netz gegangen.“

Projekt in Graubünden

Anlässlich der vom Schweizer Glasfaserverband Openaxs im August 2016 durchgeführten FTTH-Konferenz in Scuol wurde ein weiteres Projekt, „Mia Engiadina“, vorgestellt, das eine Glasfaserinfrastruktur für das gesamte Unterengadin im Kanton Graubünden zum Ziel hat. Openaxs-Präsident Franz Stampfli lobte die Aktivitäten mit den Worten: „Dieses Projekt ist ein Leuchtturm für die ganze Schweiz. Es ist beeindruckend, wie eine Infrastruktur gebaut werden kann, die zum Teil über wichtige Deals vorfinanziert wird.“ Die ländliche Gegend will sich damit zum „Third Place“ profilieren, wo sich Menschen von Wohn- und Arbeitsort erholen können. Damit soll das Engadin zum Digi-Tal entwickelt werden.

Der Ausbau erfolgt nach Bedarf. Es werden nur Gebäude angeschlossen, wenn die Mieter einen Service-Vertrag unterzeichnen. Die geschätzten Projektkosten für rund 5500 Nutzer liegen bei 50 Millionen CHF. Dazu Carl Not, einer der beiden Initiatoren des Projekts: „Wir tun eigentlich nur das, was Oberhausen a.d. Donau in Deutschland vorgemacht hat.“

Zur Finanzierung des Projekts erläuterte Jon Erni, der zweite Initiator: „Die Konzeptphase des Projektes wurde über verschiedene Partner finanziert. Insgesamt hat die zweijährige Phase 1 Million Schweizer Franken gekostet.“ Ein Beitrag von 365.000 CHF kam vom Kanton Graubünden, 250.000 CHF hat der lokale Stromversorger Energia Engiadina (EE) beigetragen, 80.000 CHF hat die Region gezahlt und der Rest wurde von etwa 40 Partnern beigesteuert.

Für die Umsetzungsphase stehen hohe Investitionen im Bereich FTTH an. Auf dem Versorgungsgebiet der EE werden die Investitionen in Rohranlagen direkt durch den Stromversorger getätigt. Bei den Gemeinden, die nicht von der EE abgedeckt werden, finanzieren die Gemeinden die Leerrohre. Mia Engiadina verlegt darin die Glasfasern und stellt die Dienste bereit. Die Investitionen werden langfristig bis zu 60 Jahre über die Service-Erträge refinanziert.

Luxemburg baut das Gigabit-Netz

Die jährliche FTTH-Konferenz des FTTH Councils Europe fand in diesem Jahr aus gutem Grund in Luxemburg statt. Die Regierung des Großherzogtums hat bereits im April 2010 beschlossen, bis 2020 jedem der mehr als 560.000 Einwohner einen Internetanschluss von mindestens 1 Gbit/s anzubieten. Die Konferenz wurde von Xavier Bettel, Premierminister und Minister für Kommunikation und Medien, eröffnet: „Die digitale Revolution verändert unser Leben, und nur die Glasfaser stellt die Kapazität für unsere Netzwerke bereit, um die ständig steigenden Anforderungen an die Konnektivität zu unterstützen. Heute ist die Hälfte unseres Landes verglast, so sind wir auf dem richtigen Weg.“

Diese Regierungsentscheidung war allerdings nur deshalb möglich, weil der Netzbetreiber P&T Luxemburg zu 100 Prozent im Staatsbesitz ist. Der gesamte Ausbau wird alleine von P&T Luxemburg ohne staatliche Fördermittel finanziert. Gesetzlich ist ferner geregelt, dass in Neubauten ausschließlich Glasfasern für die Kommunikation verlegt werden dürfen.

Die staatliche Strategie beinhaltet detaillierte Ziele mit festen Terminen, um das gesamte Land mit einem Netzwerk zu überziehen, das bis Ende 2015 Geschwindigkeiten bis 1 Gbit/s Downstream und 500 Mbit/s Upstream für die Hälfte der Bevölkerung und für die restlichen Haushalte 100/50 Mbit/s bereitstellt. Bis Ende 2020 sollen dann sämtliche Haushalte mit einer Mindestdatenrate von 1 Gbit/s versorgt werden. Wirtschaftlich interessant ist auch die gewählte Technologie: Auf einer Punkt-zu-Punkt Glasfaserinfrastruktur wird zunächst ein passives GPON (Gigabit Passive Optical Network) aufgesetzt. Bei Bedarf kann das System mit X-GPON oder sogar aktiver Ethernet-Technologie nachgerüstet werden.

Die Bilanz konnte sich sehen lassen: Bereits Mitte 2015 hatten in der Hälfte aller Kommunen mindestens 90 Prozent der Haushalte eine Verbindung mit 100 Mbit/s Download-Geschwindigkeit, und in sämtlichen Kommunen hatten 90 Prozent oder mehr Anschlüsse mit 30 Mbit/s. Das wurde allerdings mit einem Technologiemix aus FTTH, VDSL und Kabel erzielt. Und Ende des Jahres waren schon mehr als die Häfte der Haushalte an die Glasfaser angeschlossen. Das Beispiel Luxemburg zeigt deutlich, dass hochgeschwindige Internetanschlüsse zur Chefsache erklärt werden müssen.

Gerhard Kafka

Der Autor
Gerhard Kafka ist freier Fachjournalist für Telekommunikation in Egling bei München

Info: Die nächste FTTH-Konferenz des FTTH Councils Europe findet vom 14. bis 16. Februar 2017 in Marseille statt.