Die Mitte nicht aufgeben

Die Zentren vieler Kommunen sind von sogenannten Funktionsschwächen gekennzeichnet wie zum Beispiel bauliche Mängel oder fehlende Einkaufs- und Begegnungsmöglichkeiten. Für eine Studie wurden in ganz Deutschland zwölf Städte untersucht und Aktionsmaßnahmen herausgearbeitet.

 

Klein- und Mittelstädte legen genauso wie Großstädte besonderen Wert auf die Entwicklung ihrer Innenstadt. Gleichzeitig stehen sie vor besonderen Herausforderungen, konkurrieren mit der Anziehungskraft nahegelegener Großstädte oder haben – nicht nur in schrumpfenden Gebieten – mit Funktionsschwächen ihrer Zentren zu kämpfen. Hier setzte ein Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zum Thema „Innerstädtische öffentliche Räume“ an.

Der Forschungsgegenstand war zwar nicht neu. Für Klein- und Mittelstädte lagen jedoch noch keine spezifischen Erkenntnisse vor. Das auf diese Städtekategorie abgestellte Forschungsinteresse richtete sich auf die Möglichkeiten zur Planung, Gestaltung und zum Bau öffentlicher Räume (Place-making) ebenso wie auf die anschließenden Vorgehensweisen beim Management der Nutzungsphase (Place-keeping). Erkenntnisse konnten durch die Analyse von zwölf Fallstudien von Städten innerhalb und außerhalb von Großstadtregionen gewonnen werden.

Das Spektrum der Städte im Forschungsvorhaben „Innerstädtische öffentliche Räume in Klein- und Mittelstädten“ (Experimenteller Wohnungs- und Städtebau des Bundes) reichte von Hildburghausen (Thüringen) mit 11.600 Einwohnern (Stand 2014) über Baunatal, Eberswalde, Esslingen, Finderwalde, Holzminden, Lohmar, Passau, Penzberg, Schwetzingen und Sonneberg bis Hanau in Hessen mit 90 900 Einwohnern.

Zu den Spezifika der Klein- und Mittelstädte zählt zum Beispiel, dass das Wohnen unmittelbar in den zentralen, quasi Citybereichen verbreiteter ist als in Großstädten und dass es häufiger Belastungen durch den Durchgangsverkehr gibt. Ressortübergreifende Koordinierungsaufgaben bei Place-making wie bei Place-keeping sind – bei meist knappen Ressourcen – auch in Mittelstädten oder großen Kleinstädten notwendig, ähnlich wie in Großstädten. Gleichwohl sind die „Wege“ zwischen den zu beteiligenden öffentlichen und privaten Akteuren oft kürzer. Als Unterschied zur Planung in Großstädten ist bei der Fallstudienauswertung aufgefallen, dass die Beteiligung der Bürger häufig noch viele ungenutzte Potenziale bietet.

Integrierte Konzepte

Als weit verbreitete Gemeinsamkeit über alle zwölf Fallstudien hinweg zeigte sich, dass die Innenstädte durch Funktionsschwächen gekennzeichnet sind, die sich ohne gegenzusteuern noch verstärken können. Übernutzungen der Innenstädte bilden die Ausnahme. Konkret ist dies nur für die große Mittelstadt Esslingen (90.400 Einwohner, Baden-Württemberg) mit ihrer hochfrequentierten Altstadt ein Thema.

Die Kommunen versuchen, mit integrierten Entwicklungskonzepten einen perspektivischen Rahmen zur Behebung der städtebaulichen und funktionalen Defizite in ihren Innenstädten zu entwerfen. Die Städtebauförderung hat dabei eine große Bedeutung. Mittel- und Kleinstädte sind nicht nur am Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ beteiligt. Gerade mit Blick auf die Innenstädte spielen Förderprogramme wie „Städtebauliche Sanierung“ oder „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ eine zentrale Rolle.

Kooperationen mit lokalen Akteuren aus der Wirtschaft und der Stadtgesellschaft gewinnen an Bedeutung, sind aber in vielen Fällen noch ausbaufähig. Einzelhändler werden mitunter erst zu spät beteiligt, wenn es beispielsweise um die Planung und Gestaltung konkreter Umbaumaßnahmen im öffentlichen Raum geht.

Holzminden aufgewertet

Wie private und öffentliche Akteure gemeinsam erfolgreich aktiv werden können, zeigt sich in Holzminden (20.200 Einwohner). Angeregt und gefördert durch die „Quartiersinitiative Niedersachsen“ wurden Eigenmittel der Kommune und private Mittel der Wirtschaft eingesetzt, um einen attraktiven Zugang der Altstadt zum angrenzenden Weserufer herzustellen. Die Aufenthaltsqualitäten am Flussufer wurden verbessert (u. a. Ansiedlung von Gastronomie), es gibt nun eine attraktive Eingangssituation vom Weserradweg in die Altstadt, und die Innenstadt wurde aufgewertet.

Gute Ansätze unter Stagnations- oder Schrumpfungsbedingungen können in Städten wie Eberswalde (38.900 Einwohner, Brandenburg) beobachtet werden, denen es trotz erschwerter Entwicklungsbedingungen gelungen ist, einen lebendigen öffentlichen innerstädtischen Raum zu erhalten oder schrittweise zu initiieren. Grundlage dafür ist ein integrierter Ansatz, der die gestalterische Aufwertung des öffentlichen Raums nicht nur mit seiner Bespielung verknüpft, sondern auch mit hochbaulichen Maßnahmen in der Innenstadt.

Beispielgebend ist auch, dass in Ebers­walde Initiativen aus der Stadtgesellschaft, den öffentlichen Raum zu beleben, von der Stadtverwaltung im gemeinsamen Interesse aufgegriffen wurden. Auch wenn sich solche Erfolge nur auf Teilräume der Innenstadt erstrecken, bieten sie eine gute Ausgangsbasis. Deswegen kann eine Empfehlung lauten, räumlich umfassende Konzepte zugrunde zu legen, aber dann bei der Umsetzung schrittweise konzentriert vorzugehen.

Brigitte Adam

Die Autorin
Dr. Brigitte Adam ist wissenschaftliche Oberrätin im Referat „Stadt-, Umwelt- und Raumbeobachtung“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) in Bonn

Info: Die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse unter dem Titel „Die Innenstadt und ihre öffentlichen Räume“ finden Sie hier zum Download (PDF). Auf Nachfrage sind noch einzelne Druckexemplare vorhanden.