Dem Starkregen den Weg weisen

Der Wirtschaftsstandort Kommune muss auch im Interesse der ansässigen Unternehmen Vorsorge gegen Umweltgefahren treffen. Dazu gehört, die Risiken von urbanen Sturzfluten zu analysieren und diesen mit geeigneten Maßnahmen entgegenzuwirken. Dabei helfen leistungsfähige Simulationsmodelle.

Kleine Flüsse schwellen zu gewaltigen Strömen an, Schlammlawinen verwüsten ganze Straßenzüge, Fahrbahndecken werden weggespült, Autos zum Spielball von Wassermassen. Urbane Sturzfluten verfügen über ein außerordentliches Zerstörungspotenzial, bedingt durch hohe Fließgeschwindigkeiten und hohe Wassertiefen, meist kombiniert mit erheblichem Feststofftransport. Durch sehr hohe Niederschlagsmengen in kurzer Zeit ufern Gewässer aus, die örtliche Kanalisation wird hydraulisch überlastet, die Wassermassen bahnen sich ihren Weg oberirdisch durch die betroffenen Kommunen und hinterlassen ein Bild der Verwüstung.

Im Gegensatz zu Flusshochwassern weisen urbane Sturzfluten keine Vorwarn- und Reaktionszeiten auf, die Handlungsmöglichkeiten sind stark eingeschränkt. Zu Flussüberschwemmungen gibt es zwischenzeitlich weitgehend abgestimmte Verfahren der Gefahren- und Risikoanalyse, dargestellt in Gefahren- und Risikokarten. Untersuchungs- und Darstellungsmethoden zum Überschwemmungstyp „Sturzflut im kommunalen Raum“ sind demgegenüber noch nicht etabliert. Deshalb ist das Starkregenrisiko-Management die „dritte Säule“ der Überflutungsvorsorge neben dem Hochwasserschutz an Gewässern und der kommunalen General-Entwässerungsplanung (GEP). In Baden-Württemberg werden Projekte im Rahmen der Sturzflutvorsorge vom Land unterstützt und sind bis zu 70 Prozent förderfähig.

Für Kommunen geht es darum, die Risiken von Sturzfluten zu erkennen und diesen mit geeigneten Maßnahmen entgegenzuwirken. Der erste Schritt zur Vorsorge ist eine hydraulische Gefährdungsanalyse. Dabei werden die Kanalinfrastruktur und die relevanten Gewässerläufe erfasst. Urbane Sturzfluten hängen sehr von den örtlichen Gegebenheiten wie Versiegelungsgrad, Nutzungs- und Bodenstruktur, Geländetopografie, Gefälle und letzten Endes auch von der Leistungsfähigkeit des Entwässerungssystems und des Gewässernetzes ab. Deshalb sind punktuelle Ortsbegehungen für die Datenerhebung und Analyse unabdingbar.

Hochauflösendes Geländemodell

Die Daten bilden die Grundlage für die Aufbereitung eines hochauflösenden Geländemodells. Auf dessen Basis lassen sich mittels Überflutungssimulationen mit einem hydrodynamischen 2-D-Modell Starkregen-Gefahrenkarten erstellen und der Abfluss aus den Außengebieten quantifizieren. Einläufe sowie Rückhaltemaßnahmen können damit sinnvoll dimensioniert werden.

So reichen in Siedlungsbereichen manchmal bereits kleine, vergleichsweise kostengünstige Strukturen wie kleine Mauern, Anrampungen oder die Erhöhung von Bordsteinen, um die Fließrichtung des Wassers zu beeinflussen und Überschwemmungen zu verhindern. Einlaufbauwerke können umgestaltet oder auch neu gebaut und mit Rechenelementen versehen werden, um Verstopfungen zu verhindern. Ebenso bietet sich ein mäandrierendes neues Grabensystem an, das Regenwasser aus den Außengebieten auffängt, oder in Kaskaden angeordnete Pufferbecken, über die der Außengebietszufluss kontrolliert und mit reduzierter Fließgeschwindigkeit abgeleitet wird. Wasser von Feldwegen kann über Quermulden in das Grabensystem weitergeleitet werden.

Außerdem empfiehlt es sich, den Auslauf vorhandener Hochwasserrückhaltebecken bei Starkregen über einen pneumatischen Schieber per Fernwirksystem zu drosseln, um die Überlastung zu verhindern. Über die räumlich hoch aufgelösten Berechnungen von Fließgeschwindigkeit und Schubspannung können zudem Bereiche ermittelt werden, die verstärkt der Erosion ausgesetzt sind und somit besonders ausgebaut werden müssen. Für die Planung und Umsetzung solcher Strukturen ist in der Regel die besonders präzise terrestrische Vermessung (s. Info) erforderlich.

Streckbriefe für besonders gefährdete Siedlungsbereiche

In einem zweiten Schritt werden auf der Grundlage der Starkregen-Gefahrenkarten Überflutungsrisiko-Streckbriefe für besonders gefährdete Siedlungsbereiche, öffentliche Gebäude oder Infrastruktureinrichtungen erstellt wie beispielsweise für Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Tiefgaragen, Unterführungen, Rettungszentren, Feuerwehren und Schaltschränken von Versorgern. So ergibt sich eine entsprechende Überflutungsrisiko-Karte. Die Höhe des Überflutungsrisikos hängt dabei von der Häufigkeit der Überflutungsereignisse ab.

In den Starkregengefahren-Karten (SRGK) werden im Gegensatz zu den Hochwassergefahren-Karten (HWGK) keine Jährlichkeiten angegeben. Trotzdem werden standardmäßig drei Häufigkeiten des Oberflächenabflusses untersucht: seltenes Oberflächenabflussereignis, außergewöhnliches Oberflächenabflussereignis und extremes Oberflächenabflussereignis. Je häufiger eine Überflutungsgefahr (z. B. eine bestimmte Fließtiefe) auftreten kann, desto größer ist das Risiko bei gegebenem Schadenspotenzial.

Auf der Basis der Starkregengefahren-Karten und der Überflutungsrisiko-Karten lässt sich in einem dritten Schritt ein an die jeweilige Kommune angepasstes Handlungskonzept zur Gefahrenabwehr entwickeln. Dieses umfasst ein Bündel an infrastrukturbezogenen, gewässerbezogenen, flächenbezogenen, objektbezogenen, kanalnetzbezogenen und verhaltensbezogenen Maßnahmen. Die Bandbreite geht dabei von der Schaffung von Notwasserwegen oder Retentionsräumen über die Verbesserung von Bauwerkskonstruktionen oder von Abflussverhältnissen bis hin zur Erstellung von Alarm- und Einsatzplänen oder der Einrichtung von Frühwarnsystemen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Informationsvorsorge und dem Krisenmanagement. Zur Informationsvorsorge gehört auch, Privateigentümer auf die Überflutungsgefährdung hinzuweisen, sodass diese Eigenvorsorge treffen können.

Thomas Brendt

Der Autor
Thomas Brendt, Vorstandsmitglied der BIT Ingenieure in Karlsruhe, ist Experte in der Siedlungswasserwirtschaft und entwickelt kommunale Entwässerungs- und Hochwasserschutzkonzepte; einer seiner Arbeitsschwerpunkte ist die kommunale Überflutungsvorsorge

Info: Terrestrische Vermessung
Sie basiert im Wesentlichen auf exakter Winkel- und Distanzmessung mittels präziser opto-elektronischer Geräte (Theodolit, Tachymeter). Durch Anknüpfung an Punkte mit bekannten Koordinaten (Festpunktnetze) wird durch geometrische Berechnung und statistisch fundierten Fehlerausgleich die Lage der eingemessenen Punkte bestimmt, wobei die erreichbare Genauigkeit im Millimeter- bis Zentimeter-Bereich liegt.

Info: Schutz vor Sturzfluten
Mit vergleichsweise kostengünstigen Mitteln können sich Städte und Gemeinden, aber auch private Grundstücksbesitzer, effektiv vor urbanen Sturzfluten schützen. Grundlage für entsprechende Maßnahmen sind Starkregengefahren- und Überflutungskarten. Diese werden über eine gekoppelte Betrachtung von Kanalnetz und Oberflächenabfluss unter Einbeziehung der örtlichen Rahmenbedingungen ermittelt. Einen guten Überblick bieten das Unternehmen BIT Ingenieure auf ihrer Starkregen-Themenseite im Internet