Datenaustausch braucht Schnittstellen

Die Wasserwirtschaft muss lernen, offene und internationale Standards für den Datenaustausch vorzugeben. Nur so wird es gelingen, wesentliche Ziele einer Wasserwirtschaft 4.0 erreichen zu können. Dazu zählen die stärkere Automatisierung von Prozessen, ökonomische Effizienzsteigerung sowie ein besserer Umwelt- und Ressourcenschutz. Mitten im Geschehen: Geo-IT-Software.

Was zeichnet die zukunftsfähige Planung eines integralen, interaktiven wasserwirtschaftlichen Gesamtsystems aus? Wie muss eine Kläranlage oder ein Entwässerungssystem geplant werden, damit zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme noch der Stand der Technik eingehalten wird? Damit die Anlage im Laufe der unterschiedlichen Abschreibungsphasen von 5 bis 60 Jahre an die Entwicklung der Digitalisierung angepasst werden kann? In jedem Fall erfordert der technische Fortschritt der Digitalisierung, dass sich die Zyklen für die Erarbeitung eines „Stands der Technik“ radikal verkürzen müssen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Vorgaben zudem offene und internationale Standards berücksichtigen.

Zukünftig wird nicht nur eine Anlage oder ein Anlagenteil überwacht, sondern ganze Funktionseinheiten und Prozesse werden gleichzeitig virtualisiert und gesteuert. Bauteile wie Pumpen melden hierbei automatisch den Wartungszustand direkt an den Hersteller, der die Wartung über Rahmenverträge durchführt.

Denkbar ist, dass künftig Service- und Reparaturroboter das Kanalnetz autonom inspizieren, Daten sammeln und Schäden reparieren. Nebenbei säubern sie den Kanal, Kanalstauräume oder Regenbecken. Die Roboter werden mit Spezialmörtel bestückt, der automatisch über Scan- und 3D-Druckverfahren in die Infrastruktur eingepasst wird.

Wieviel Personal und welche Qualifikation werden benötigt, wie ist die Arbeit organisiert, wie sehen die Prozesse aus? Ist Abwasser zukünftig ein Wirtschaftsgut, wem gehört der Rohstoff und die Vermarktungsrechte? Wie die Entwicklung „am Ende“ aussieht und welcher Grad der Veränderung in der Arbeitswelt erreicht wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt bestenfalls erahnt werden.

Die Bundesregierung hat mit der Bezeichnung „Industrie 4.0“ das Ziel formuliert, eine vierte industrielle Revolution einzuleiten. Industrie 4.0 ist ein Begriff, der auf eine Forschungsunion und ein gleichnamiges Projekt in der Hightech-Strategie der Bundesregierung zurückgeht. Aktuell sind sechs vorrangige Aufgaben mit insgesamt 34 Themenfeldern definiert. Das Schwerpunktthema Industrie 4.0 ist dabei nur ein Thema, weitere Themenfelder sind zum Beispiel Zukunftsstadt, Zukunft Bau, Bioökonomie, Nachhaltige Agrarproduktion, Cloud Computing, Digitale Vernetzung, Arbeit in einer digitalisierten Welt sowie Cyber- und IT-Sicherheit.

Forschungsergebnisse schnell umsetzen

Das Ziel der Hightech-Strategie ist, Deutschland auf dem Weg zum Innovationsführer in Europa und der Welt voranzubringen. Forschungsergebnisse sollen schnell in Produkte und Dienstleistungen mit einem klar erkennbaren gesellschaftlichen Nutzen überführt werden. Die große Herausforderung wird hierbei der Know-how-Transfer sein. Die Entscheider und Fachleute in den Kommunen, Verbänden und Ingenieurbüros wissen nur selten, welche Möglichkeiten schon heute für eine Wasserwirtschaft 4.0 zur Verfügung stehen.

Regelwerke und Merkblätter, die den Stand der Technik widerspiegeln sollen, werden oftmals erst alle fünf Jahre überprüft und über aufwendige formale Verfahren überarbeitet. Das hat zur Folge, dass sie häufig schon bei der Veröffentlichung in Teilen veraltet oder nur dem fachlichen Kontext (Firmenstandards) geschuldet sind. Unberücksichtigt bleiben neue Möglichkeiten, die sich mit modernen, offenen und internationalen IT- oder Geo-IT-Standards realisieren lassen.

Die Geo-IT-Branche ist mit ihren offenen, standardisierten Schnittstellen zum Datenaustausch auf Basis der Standards des Open Geospatial Consortium (OGC) und der ISO-Normen der Reihe 191xx richtungsweisend aufgestellt, denn sie bilden die Grundlage für die Geodateninfrastrukturen (GDI). Regionale, nationale und internationale Geodateninfrastrukturen sind heute etablierte Plattformen für den standardisierten Datenaustausch zwischen öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen, Dienstleistern und weiteren Partnern. In Deutschland liefern Initiativen wie die GDI-DE, die GDI-Länder sowie die Geodatenzugangsgesetze des Bundes und der Länder den entsprechenden organisatorischen oder rechtlichen Rahmen. Die INSPIRE-Richtlinie schafft einen vergleichbaren Rahmen für den Datenaustausch zwischen Mitgliedsstaaten der EU.

Reibungsloser Datenverkehr gefordert

Während über die genannten Schnittstellen für den Austausch von Geodaten (inkl. Messdaten) eine technische Interoperabilität hergestellt werden kann, gibt es derzeit jedoch noch große Defizite bei der semantischen Interoperabilität. Es fehlt an standardisierten, offenen und detaillierten Datenmodellen für viele Fachdisziplinen, die eine zwingende Voraussetzung für eine weitergehende automatisierte Datenverarbeitung sind, wie sie in einer Wasserwirtschaft 4.0 angestrebt wird. Es gibt allerdings einige vielversprechende Ansätze in der Wasserwirtschaft wie zum Beispiel den „OGC-WaterML-2.0-Standard“ sowie die laufenden Arbeiten am Objektkatalog Wasserwirtschaft der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) und der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA).

Durch Entwicklungen wie die kontinuierlich voranschreitende Digitalisierung und das Internet of Things (IoT) mit einer Vielzahl von immer besseren, kleineren und kostengünstigeren Sensoren werden die zu verarbeitenden Datenmengen rapide ansteigen. Auch die Verfügbarkeit zeitlich und räumlich hochauflösender Satellitendaten wird durch Erdbeobachtungsprogramme (z. B. das europäische Copernicus Programm) massiv ansteigen und für Monitoring- und Analysezwecke auf regionaler bis lokaler Ebene relevant werden. Getrieben durch diverse Open-Data-Initiativen unterschiedlicher Ebenen, nimmt die Verfügbarkeit digitaler Daten öffentlicher Einrichtungen bereits heute schon deutlich zu.

All diese anfallenden Datenmengen können unter dem Schlagwort Big Data zusammengefasst werden. Sie werden aufgrund ihres Umfangs sowohl in der Cloud auf verteilten Servern gespeichert und verwaltet, als auch zukünftig verteilt verarbeitet werden müssen. Die Architektur von Geoinformations-Systemen und Geodateninfrastrukturen wird sich diesen Entwicklungen anpassen. Lokal durchgeführte Auswertungen werden zunehmend in den Hintergrund treten.

Auch werden neue, effiziente (Geo-)Datenverarbeitungsmethoden benötigt, um echtzeitnahe, raumbezogene Analysen und Vorhersagen auf diesen sehr großen und verteilten heterogenen Datenbeständen zu ermöglichen. Das Thema Datenqualität wird im Hinblick auf Verfügbarkeit, Konsistenz und Aktualität ebenfalls eine immer wichtigere Rolle spielen, um den automatisierten oder gar autonomen Prozessanforderungen zukünftig gerecht zu werden. Zudem ändern sich in dem Maße, wie sich die eingesetzten Techniken verändern, auch die Anforderungen an die Qualifikation und die Medienkompetenz des Fachpersonals.

Die Geo-IT wird die Entwicklung hin zu einer Wasserwirtschaft 4.0 maßgeblich mitprägen. Entsprechende Programme werden unverzichtbare Werkzeuge für die Zusammenführung, das Management und die Auswertung der anfallenden raumbezogenen Datenmengen sein und echtzeitnahe Informationen für Planung-, Entscheidungs- und autonome, teilautonome Steuerungsprozesse zur Verfügung stellen.

Es wird Zeit, dass sich die wasserwirtschaftlichen Unternehmen eine digitale Agenda geben, die sich mit Aufgaben wie Daten-, Qualitäts- und Systemmanagement, Prozessen, Automatisierung, Personal und Qualifikation und Sicherheit beschäftigt.

Karl-Heinz Spies

Der Autor
Karl-Heinz Spies ist Sachgebietsleiter Geoinformationssysteme (GIS) und Geodateninfrastruktur (GDI) beim Wupperverband in Wuppertal

Info: Der Wupperverband mit Sitz in Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) ist verantwortlich für die Wasserwirtschaft im gesamten Flussgebiet der Wupper. 14 Talsperren, elf Kläranlagen und 2300 Kilometer Gewässer bilden für etwa 950.000 Menschen im Verbandsgebiet einen wesentlichen Teil ihrer Lebensgrundlage.