Carsharing-Angebote ans Licht holen

Auf ein stationsbasiertes Carsharing-Fahrzeug kommen in größeren Städten bis zu 20 abgeschaffte private Pkw. Willi Loose, Geschäftsführer des Bundesverbands Carsharing, erklärt im Interview, welche Möglichkeiten die Kommunen haben, das Autoteilen zu fördern und was das Carsharing-Gesetz bedeutet.

Herr Loose, der öffentliche Raum liegt im Schnittfeld vieler Interessen. Dazu zählen natürlich die Nutzungsansprüche des Verkehrs und im Zusammenhang damit der Bedarf an Parkflächen. Für das Geschäftsmodell des stationsbasierten Carsharing sind Parkflächen im öffentlichen Raum von zentraler Bedeutung. Was bedeutet das neue Gesetz zur Bevorrechtigung des Carsharing für die Branche?

Loose: Mit der Möglichkeit der Ausweisung unternehmensspezifisch zugeordneter Stellplätze im öffentlichen Straßenraum erblicken die stationsbasierten Carsharing-Angebote das Licht der Öffentlichkeit. Heute sind die Fahrzeuge oft versteckt in Hinterhöfen und Tiefgaragen lokalisiert. Die Bewohner der Quartiere wissen oft gar nicht, dass sie in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld Carsharing-Angebote bequem nutzen können. Dabei wird mit der Ausweisung von Carsharing-Stellplätzen den Anwohner nichts weggenommen. Die Erfahrung zeigt, dass viele Nutzer stationsbasierter Angebote ihre eigenen Pkw abschaffen. Damit schwächt sich der Parkdruck für die übrigen Autofahrer ab.

Die Einrichtung von Stellplätzen für stationsbasiertes Carsharing ist verwaltungsrechtlich eine Sondernutzung. Was bedeutet das für die Kommunen?

Loose: Die Anbieter können von sich aus Anträge auf Sondernutzung für bestimmte Straßen stellen, in denen sie heute keine privaten Flächen anmieten können. Die Kommunen könnten mit einer öffentlichen Ankündigung den Zeitpunkt der Antragstellung für alle potenziellen Anbieter bündeln. Dabei könnten sie auch Qualitätskriterien benennen, die von den Angeboten erfüllt werden sollten und die eine maximale Entlastungswirkung gewährleisten.

In großen Städten werden mehrere Anbieter eine solche Sondernutzung beantragen. Welche weiteren Kriterien halten sie für wichtig, damit die Kommunen transparent vergeben können?

Loose: Bei mehreren Interessenten muss die Kommunen ein diskriminierungsfreies Zuteilungsverfahren gewährleisten. Dabei sollte sie Anbieter, die lange vor Ort tätig sind und die bereits eine nennenswerte Anzahl von Kunden besitzen, nicht grundlos benachteiligen, da dies zu Lasten dieser Bestandskunden gehen würde. Es kommt also darauf an, dass Auswahlkriterien mit Fingerspitzengefühl benannt werden. Freiburg hat vor Kurzem eine große Anzahl von Stellplätzen im öffentlichen Raum, die auf einer anderen Rechtsgrundlage genehmigt wurden, problemlos an zwei Anbieter vergeben. Hierzu führte die Stadt ein Interessensbekundungsverfahren mit Einigungstermin durch.

Außer der Zuteilung von Stellflächen – welche Möglichkeiten haben Städte noch, um das Autoteilen zu fördern?

Loose: Erstens: Stadtverwaltungen können Carsharing auch für ihre eigene dienstliche Mobilität nutzen. Damit entstehen rund um die Verwaltungsstellen neue Carsharing-Angebote, die nach Dienstschluss und an den Wochenenden den privaten Kunden zur Verfügung stehen. Zweitens: Wir wissen aus wissenschaftlichen Studien, dass Umbrüche im Leben neue Chancen bieten. Menschen, die in eine unbekannte Umgebung ziehen, sind bereit für neue Angebote und Gewohnheiten. Wenn ihnen in diesem Moment beispielsweise mit Neubürger-Infopaketen umweltfreundliche Alternativen wie das Carsharing angeboten werden, ist die Bereitschaft, ihre alten Verhaltensmuster aufzubrechen, relativ groß. Ein solches Angebot muss von der Stadt ausgehen, da nur sie die Adressen von Neubürgern kennen.

Carsharing reduziert die Zahl der Fahrzeuge im Verkehrsraum. Mit welchen Zahlen quantifizieren Sie den Entlastungseffekt?

Loose: Auf ein stationsbasiertes Carsharing-Fahrzeug kommen in größeren Städten bis zu 20 abgeschaffte private Pkw. Das hat unsere Befragung von 3500 Carsharing-Kunden in zwölf Städten im Herbst 2015 ergeben. Je urbaner das Stadtquartier, je besser dort die Alternativen zum eigenen Pkw ausgestaltet sind und je eingespielter die Carsharing-Angebote sind, desto höher ist der Entlastungseffekt. Viele Kunden warten mit ihrer Entscheidung für das Carsharing bis zum Zeitpunkt, wenn ihr eigenes Auto seine Lebenszeit erreicht hat, große Reparaturen anstehen oder sich Partner trennen und nur einer das bisherige gemeinsame Haushaltsauto bekommt.

Der reichweitenbegrenzte Stadtverkehr eignet sich grundsätzlich bereits heute gut für E-Fahrzeuge. Welche Aktivitäten entwickeln die BCS-Mitgliedsunternehmen in Richtung der Integration von E-Mobilen in ihre Flotten?

Loose: Grundsätzliche haben wir im Carsharing kein Reichweitenproblem bei Elektrofahrzeugen, da nebenan an der Station meist ein herkömmlich motorisiertes Fahrzeug steht. Dennoch stellen wir bei vielen Kunden eine Hemmung, das Elektrofahrzeug auszuleihen, fest. Das mag daran liegen, dass viele Kunden das Carsharing nur selten nutzen und nur schwer Routinen mit neuen Technologien entwickeln. Hier ist noch eine Menge Aufklärungsarbeit unserer Mitglieder zu leisten. Probleme bereitet unseren Mitgliedern derzeit die mangelnde Wirtschaftlichkeit der Elektrofahrzeuge. Je günstiger sich die Batteriekosten entwickeln, desto größer die Bereitschaft der Anbieter, mehr Elektrofahrzeuge in ihre Flotten zu nehmen.

Interview: Jörg Benzing