Bewährungsprobe für Müller

Am 18. September sind Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin. Zugleich ist es die Premiere als Spitzenkandidat bei Wahlen für Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), der Klaus Wowereit im Dezember 2014 abgelöst hatte.

Im Berliner Abgeordnetenhaus hat sich 2011 nach den Wahlen eine Große Koalition aus SPD und CDU gebildet. Wowereit hatte sich trotz erheblicher Verluste mit der SPD noch als stärkste Partei behaupten können (28,3 Prozent), vor der CDU (23,3) und den Grünen (17,6). Die SPD führte zunächst Sondierungsgespräche mit den Grünen, mit denen sie jedoch keine Einigung bezüglich des Weiterbaus der Stadtbahn A 100 erzielen konnte. Den Platz der Piratenpartei, die mit 8,9 Prozent wie Phönix aus der Asche ins Landesparlament einziehen konnte, nimmt in diesem Jahr scheinbar die AFD ein, die laut der jüngsten Forsa-Umfrage vom 27. Mai bei rund acht Prozent liegt. Einen erneuten Einzug werden die Piraten in diesem Jahr wohl nicht schaffen.

Laut dieser Umfrage wird die SPD auch bei diesen Wahlen wieder stärkste Partei mit nur geringen Verlustpunkten werden (26), die CDU (18) allerdings ist auf den dritten Platz abgerutscht. Sollte sich dieses Ergebnis bei den Wahlen bestätigen, wären die Grünen zweitstärkste Partei (20), gefolgt von den Linken (14) und der AfD (8).

Ein Computerproblem hat derweil für Aufregung gesorgt im Kontext der Wahlen. Softwareprobleme könnten die Wahlen gefährden, hieß es da. Innensenator Frank Henkel sagte im Berliner „Tagesspiegel“: „Die Wahl ist sicher.“ Das Problem soll die unterschiedliche Soft- und Hardware in den einzelnen Bezirken sein. Es geht um das Programm VOIS, das bei der Wahl am 18. September erstmals eingesetzt werden soll. Die Software soll nun zwischen allen Bezirken synchronisiert werden, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Durch dieses Hin und Her ist vor allem Innensenator Henkel in den Mittelpunkt der Kritik geraten. Henkel ist zugleich Spitzenkandidat der CDU und verantwortlich für die ordnungsgemäße Ausführung der Wahlen. Vor allem auch, weil sich Henkel inmitten dieses Diskurses krankgemeldet hatte.

Dabei hat die CDU doch erst im April dieses Jahres ihr Wahlkampfprogramm unter dem Motto „Starkes Berlin“ vorgestellt und Henkel als Spitzenkandidaten vorgestellt. Bürgermeister wolle er werden und die CDU solle nach Möglichkeit wieder stärkste politische Kraft werden. Danach sieht es derzeit nicht aus.

Doch auch die SPD musste sich jüngst auf Nebenkriegsschauplätzen herumtreiben. Grund war der Streit um einen Beratervertrag mit der Firma McKinsey. „Von mir oder über mich hat es keinerlei Einfluss gegeben, dass Herr Diwell Aufträge von McKinsey bekommt“, sagt Müller auf RBB-online.de. Das Unternehmen hatte das Land Berlin zunächst unentgeltlich in Flüchtlingsfragen beraten. Im März wurde dann ein mit 238.000 Euro dotierter Vertrag geschlossen. Dass davon ein ehemaliger SPD-Politiker profitiert, ließ die Auftragsvergabe in einem neuen Licht erscheinen.

Spekulation über eine „Kenia-Koalition“

Nach einer Großen Koalition sieht es derzeit nicht aus, deswegen kursiert schon seit Längerem die Spekulation über eine „Kenia-Koalition“ aus „Schwarz, Rot, Grün“. Die erste dieser Art hatte es erst im Frühjahr in Sachsen-Anhalt gegeben, da die AfD zweitstärkste Partei geworden war und mit den Rechtspopulisten keine andere regieren wollte. Die Große Koalition müsste die Grünen somit mit ins Boot nehmen.

Für unrealistisch hält beispielsweise Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) dieses Bündnis nicht mehr. Magdeburg könne eine Blaupause sein, wenn es nicht anders gehe, sagte Haseloff gegenüber der Zeitschrift „Super Illu“. Dazu sind Gespräche mit den Grünen nötig, die gleich mit einem Spitzenquartett in die kommenden Wahlen gehen. In der Reihenfolge Ramona Pop, Antje Kapek, Bettina Jarasch und Daniel Wesener treten die Grünen an – und wollen in die Regierung: „Wir sind leidenschaftlich, glaubwürdig und regierungsfähig“, sagten die Vier bei ihrer Vorstellung unisono. Einer Kenia-Koalition könnten aber ausgerechnet die Grünen im Wege stehen. Gegenüber der Berliner Morgenpost sagte Ramona Po, dass eine Koalition mit den Schwarzen nur „sehr schwer vorstellbar sei“. Punkten möchte die Partei mit den urtypischen grünen Themen wie beispielsweise der Forderung nach „mehr Fahrräder, weniger Autos“.

In Berlin würde auch keine Koalition mit der Alternative für Deutschland infrage kommen, auch wenn sich diese Frage voraussichtlich nicht stellen wird. „Ich will die AfD raushalten aus unseren Parlamenten und Bezirken“, wird Müller im „Focus“ zitiert. Probleme bei der Großen Koalition, Aufschwung bei den Grünen. Wenn die Wahlen bestätigen, was die Umfragen verheißen, wird es wohl noch viele nervenaufreibende Gespräche geben.

Timo Lämmerhirt

Der Autor
Timo Lämmerhirt, Waldstetten, ist Redakteur bei der „Schwäbischen Zeitung“ sowie Autor für verschiedene Medien