Alles andere als Kinderkram

Ein Spielplatz ist ein hochkomplexer sozialer und urbaner Funktionsraum. In der Planung sind vielfältige Interessen zu erfassen und zu bewerten. Diese Checkliste vermittelt Impulse aus unterschiedlichen Perspektiven.

Kinder spielen überall, jederzeit, mit allem. Deshalb bräuchten Kinder eigentlich keine Spielplätze. Doch weil sie nicht überall, jederzeit, mit allem spielen dürfen, brauchen wir Spielplätze, um die Kinder von Gefahren, Störbereichen und falschen Dingen wegzulocken.

Spielen umfasst alle Aktivitäten, die das Individuum unternimmt, um sich an seine Umwelt anzupassen. Mit anderen Worten: Spielen ist das Ausprobieren aller Möglichkeiten, das heißt an Grenzen gehen, Erfahrungen sammeln, lernen – und ist nicht auf Kinder beschränkt. Künstler, Forscher und viele Kreative spielen.

Es gibt keinen definierbaren „Spielwert“ sondern viele eigenständige Spielfunktionen. Klettern, Balancieren, Koordinieren, kreatives Tun, Träumen, Trainieren sozialen Verhaltens, Selbstbehauptung in der Gruppe, aber auch Erleben von Wind, Regen, Sonne sind einige solcher Funktionen. Sie können sich überlagern, gegenseitig unterstützen, aber auch gegenseitig blockieren, das Spielen verhindern oder zu aggressivem Verhalten führen. Es ist deshalb wichtig, die einzelnen Spielfunktionen an Spielgeräten und auf Spielplätzen zu erkennen, bewusst auszusuchen und einzusetzen.

Ein guter Spielplatz könnte nach folgenden Vorgaben beurteilt werden:

  • Atmosphäre bieten, Wohlgefühl vermitteln, zum Verweilen einladen

  • Entdeckungsmöglichkeiten haben, sich erst dem Suchenden voll erschließen.

  • Beherrschbares Risiko zulassen

  • Möglichkeiten bieten für unterschiedliche Stimmungen, Interessen und Bedürfnisse

  • Wind-, Sicht-, Schallschutz bieten

  • „Spezielle“ Verbote überflüssig machen

Ein schlechter Spielplatz ergibt sich aus folgenden Eigenschaften:

  • Dressurparcours

  • Landschaftsdekoration

  • Restflächennutzung

  • Zentralistisches Monogebilde für nur eine Benutzergruppe

  • Zu wenig Platz, zu wenig Auswahl, zu eintönig, zu wenig stabil, zu lieblos

  • Zu sicher, zu gehegeartig, zu reglementiert

Um spätere Probleme möglichst vorher schon zu erkennen und zu verhindern, sollten bei der Planung, bei Neubau oder Umbau eines Spielplatzes auf folgende Fragen Antworten gesucht werden:

Ort und Umfeld

  • Welche Möglichkeiten bietet der Ort? Ortsgröße? Vorhandene, nutzbare Bepflanzung? Vorhandene Natur? Spielmöglichkeiten im Gelände?

  • Welche anderen Spielplätze und Aufenthaltsflächen gibt es im Umfeld? Sind sie Alternativen, Konkurrenten oder ohne Bedeutung? Sollen sie durch den neuen Spielplatz aufgelöst, entlastet oder weiterhin benutzt werden?

  • Welche Nebeneffekte hat der Spielplatz? Hebt oder belastet er die Wohnqualität? Soll er die Sozialstruktur und das Image verbessern? Hat er Werbewirkung?

  • Welche Anlieger haben welchen Einfluss? Wie weit sind sie dazu berechtigt? Wie kann man sie positiv einbinden? Toleranzgrenze? Wie soll man sie ansprechen?

  • Gibt es noch weitere einflussnehmende Gruppen?

Zielgruppen und Nutzer

  • Gibt es Unterlagen über soziale Strukturen oder Besonderheiten der potenziellen Benutzer?

  • Für welche Altersgruppe und Sozialstruktur als Hauptbenutzer (Aktivbenutzer) ist der Spielplatz geplant?

  • Welche Passivbenutzer gibt es?

  • Welche Personen will man nicht auf dem Spielplatz haben? Wie soll das erreicht werden?

Gestaltung und Nutzung

  • Was für Spielfunktionen sollen angeboten werden und warum?

  • Können zusätzliche Spielsituationen geschaffen werden ohne Geräte?

  • Welche Aufenthaltsqualität soll den Passivbenutzern geboten werden?

  • Was für Möglichkeiten können für Wind-, Schall- und Sichtschutz genutzt werden?

  • Welcher Gestaltungsstil soll den Spielplatz prägen?

  • Welche Atmosphäre soll der Spielplatz bieten und ausstrahlen?

  • Braucht der Spielplatz ein besonderes Inhaltsthema oder Themennamen? Warum?

Recht und Sicherheit

  • Gibt es baurechtliche Auflagen? Naturschutz? Denkmalschutz? Wie ist die Erschließung, Zufahrten des Ortes?

  • Welche Gefahrenpunkte (Hauptverkehrsstraßen, Flüsse, Absturzhöhen, soziale Problempunkte) gibt es im Einzugsgebiet? Wie kann die Sicherheit gewährleistet werden?

  • Wie lange soll die Verweildauer auf dem Spielplatz sein?

  • Sind Einschränkungen bei Tagesnutzungszeiten notwendig? Warum? Lassen sich diese Einschränkungen vermeiden?

  • Sind Sonder- oder zusätzliche Verbote, Vorschriften, Ermahnungen notwendig? Warum? Lassen sie sich verhindern?

  • Welches Spielverhalten oder Tätigkeiten sollen auf dem Spielplatz nicht stattfinden? Warum? Wie lässt sich das erreichen?

  • Gibt es außer der jährlichen Sicherheitsprüfung auch eine Spielinhalts- oder Spielplatzbedarfsuntersuchung?

Finanzierung und Planung

  • Welche Budgetgröße ist vorgesehen? Für Ortserschließung? Wegebau? Sicherungsmaßnahmen? Untergrunddränage? Bepflanzung? Pflege?

  • Gibt es zusätzliche Finanzmittel? Zuschüsse für Behindertengerechtheit, Integration, Gewaltprävention, Strukturverbesserung? Sponsoring? Spenden? Bürgerinitiative?

  • Realisierung in Schritten oder einmalige Baumaßnahme?

  • Geplante Lebensdauer des Spielplatzes? Aktualisierung durch Nachrüstung? Umbaumöglichkeiten bei Bedarfsänderung?

  • Welcher Pflegeaufwand? Pflegeaufwendige Gestaltung oder selbstpflegend?

  • Reparaturfreundlich? Wer ist dafür zuständig?

  • Können Bürgerinitiativen, Interessengruppen oder Vereine bei dem Aufbau, dem Unterhalt oder bei Pflegearbeiten eingebunden werden?

  • Gibt es fachkundige Planungs- und Nutzungsberatung?

Man wird auf all diese Fragen nicht unbedingt kompetente Antworten bekommen. Trotzdem ist es wichtig, sie zu stellen und zu durchdenken. Denn ein Spielplatz ist ein hochkomplexer, sozialer und urbaner Funktionsraum und kein nebensächlicher Kinderkram.

Günter Beltzig

Der Autor
Der Designer Günter Beltzig (Jg. 1941) aus Hohenwart (Bayern) entwickelt, plant und gestaltet Spiel- und Bewegungsgeräte und -räume für unterschiedliche Zielgruppen